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Jankes Seelenschmaus

Liebe Janke, du bist als eine inspirierende Bloggerin bekannt. Verrätst du mir, wie dein Weg war? Da, wo du jetzt stehst, warst du bestimmt nicht immer?

Ja, das stimmt – mein Weg war phasenweise sehr turbulent. Nicht immer lag das an meiner rheumatischen Erkrankung, aber so einige Lebenspläne wurden durch heftige Schübe zerschlagen. Es war nicht immer einfach, sich anschließend neu zu sortieren – so richtig akzeptiert habe ich meine Erkrankung erst mit Anfang 30, also nach 28 Jahren mit RA.

Mein Blog entstand 2014 während einer besonders heftigen Krankheitsphase. Ich konnte meine Umschulung zur Logopädin nicht beenden, was mich damals in eine große Sinneskrise stürzte. Um mich abzulenken und besonders psychisch wieder auf die Beine zu kommen, begann ich, meine liebsten Familienrezepte zu dokumentieren und täglich in ein Online-Tagebuch zu schreiben. Ich hätte nie gedacht, dass aus dieser kleinen Beschäftigungstherapie einmal meine Berufung werden sollte.   

Wie ist deine Idee entstanden, das Thema Kochen und Rheuma zu verbinden?

Als ich auf Jankes Seelenschmaus zum ersten Mal konkret über meine Erkrankung schrieb, erhielt ich anschließend viel positives Feedback. Ich hatte mich mit meinem Beitrag nahbar gemacht und war ein Risiko eingegangen, indem ich sehr offen von meinen Gefühlen und Problemen schrieb. Nach diesem Artikel stand für mich fest, dass ich beiden Themen (Ernährung und Rheuma) auf meinem Blog Platz bieten möchte. 

Diesen Schritt habe ich nie bereut, denn so entstand ein wertvoller Austausch, den ich noch heute sehr schätze.

Folgst du bei neuen Rezepten deiner Intuition oder liest du, was zum Thema „Rheuma und Ernährung“ empfohlen wird?

Da ich mich seit vielen Jahren mit dem Thema Ernährung bei Rheuma (speziell bei rheumatoider Arthritis) beschäftige, weiß ich inzwischen sehr genau, was meinem Körper gut bekommt und mit welchen Lebensmitteln ich (sehr wahrscheinlich) ungewollte Reaktionen hervorrufe. Beim Kochen bin ich daher sehr intuitiv.

Es gibt einige Empfehlungen für Menschen mit rheumatischen Erkrankungen, die ich für richtig und sinnvoll erachte und die ich deshalb fest in meinen Ernährungsplan integriert habe. Dazu gehört, dass ich meinen Fleisch- und Wurstkonsum stark reduziert habe und aktuell an mindestens 5 von 7 Tagen vegetarisch unterwegs bin. Außerdem backe ich viel mit Vollkornmehlen und versuche weniger Zucker zu verwenden. Bei Milchprodukten entscheide ich mich für die fettarmen, beim Fisch für fettreiche Sorten und esse ansonsten sehr viel Gemüse. Der Genuss darf allerdings nie zu kurz kommen, denn der gehört für mich dazu.

Auf meinem Blog findet man deshalb auch noch viele „normale“ Rezepte – langfristig will ich diese jedoch komplett nach meinem jetzigen Ernährungskonzept überarbeiten.

Wer ist dein Zielpublikum? Magst du tolle Momente teilen, die du mit deiner Community erlebt hast?

Meine Leser*innen sind bunt gemischt, da meine Rezepte sehr alltagstauglich und nicht nur für Rheumatiker*innen gedacht sind. Trotzdem freue ich mich immer ganz besonders, wenn mir Menschen mit Rheuma schreiben und wir uns über individuelle „Ernährungskonzepte“ oder Therapieerfolge austauschen können. Es ist ein schönes Gefühl, wenn ich meine Erfahrungen auf diesem Gebiet an Patienten weitergeben kann, die gerade erst anfangen, sich mit ihrer Erkrankung auseinanderzusetzen. Diese Gespräche helfen auch mir, denn sie geben meinem Rheuma einen Sinn.

Wie schaffst du es, einen Kochmuffel zu motivieren, den Gang zum Fastfood-Regal mal auszulassen?

Ich schwinge in meinen Beiträgen keine Moralkeule und sage immer „alles ist in Maßen erlaubt!“ Oft ist den Menschen vielleicht gar nicht bewusst, wie einfach es ist, frisch zu kochen. Hinzu kommt, dass hochverarbeitete Lebensmittel eine lange Liste an Zusatzstoffen mitbringen, die den Körper (zusätzlich zum Rheuma und einer medikamentösen Therapie) belasten. Das sollten wir so oft wie möglich vermeiden.

Ich rate sehr oft zu einem kleinen Ernährungstagebuch, um die Essgewohnheiten mit rheumatischen Beschwerden abzugleichen. Einmal genau zu beobachten: wann ging es mir besonders gut; wann sehr schlecht und was habe ich in den Tagen zuvor gegessen? Auf diese Art und Weise kann man einige individuelle Übeltäter ausfindig machen und zukünftig gezielt darauf verzichten.

Manchmal habe ich den Eindruck, dass wir uns in einer Bubble bewegen: Instagram ist voll von leckeren und gesunden Gerichten, die beim Eindämmen einer Rheuma-Entzündung unterstützen. Die Realität der Einkaufstaschen auch bei Menschen mit entzündlichem Rheuma sieht manchmal anders aus. Was meinst du, wie wir auch diese Menschen erreichen können?

Ein Teil der Wahrheit liegt bereits in meiner Antwort auf deine letzte Frage. Ich denke, es ist immens wichtig, dass wir die Menschen dazu animieren, ihren Körper besser kennen- und vielleicht auch schätzen zu lernen.

Erst kürzlich schrieb mir eine Leserin, sie denke darüber nach was wohl der bessere Weg sei: sich nun alles zu erlauben und dafür am Ende des Lebens vielleicht einige Jährchen abzuziehen, oder sich konsequent an alle Empfehlungen zu halten, um möglichst gesund ein hohes Alter zu erreichen.

So schwarz und weiß sehe ich meine Situation als Rheumapatientin nicht mehr, seit ich achtsamer und geduldiger mit mir bin. Es mag pathetisch klingen, aber so ist es! Ich finde es immer unwahrscheinlich schade, wenn sich Menschen keine Zeit für die eigenen Bedürfnisse nehmen. Gerade für uns Menschen mit chronischen Erkrankungen ist diese Selbstfürsorge elementar und dazu gehört für mich eben auch die Ernährung. Das sollte auch von Ärzten auf allen Kanälen deutlich kommuniziert werden, deshalb bin ich sehr froh, dass du für dieses Thema offen bist.

Das Thema der Regionalprodukte rückt immer mehr ins Bewusstsein. Wie wichtig ist das für dich und vermittelst du es Menschen, die dir folgen?

Ein sehr wichtiges Thema – ich schaue immer gerne nach regionalen Erzeugern und habe über die letzten Jahre hinweg einige kleine Betriebe in meiner näheren Umgebung gefunden, die ihre Produkte mit ganz viel Herzblut und wenigen Zusatzstoffen an den Kunden bringen. Regional einzukaufen, macht mich immer glücklich. Zu sehen, woher die Lebensmittel stammen und wer sie hergestellt hat, steigert für mich definitiv den Genuss, weshalb ich meine Leser*innen regelmäßig dazu animiere, auch mal beim kleinen Hofladen um die Ecke zu kaufen. Dort sind die Produkte nicht nur regional, sondern in aller Regel auch saisonal und in Bioqualität zu bekommen. Eine Win-win-win-Situation.

Meine Vision ist, Frauen mit entzündlichem Rheuma in Fragen zu unterstützen, die bei einer Facharztvisite zu kurz kommen. Oft erlebe ich Schicksale, die mich sehr berühren: Junge Frauen, die wegen der Krankheit das Leben nicht gestalten können, wie sie es möchten: sei es Arbeit, Hobbies, Familienplanung oder Kinderbetreuung. Wenn gute, moderne Strategien aus Unwissen oder Verunsicherung verworfen werden – das macht mich besonders betroffen. Eigentlich gibt es da draußen viele Informationen, wie eine Rheumakrankheit behandelt werden kann. Was meinst du, liebe Janke, wie wir diese Frauen erreichen können?

Ich weiß, was du meinst, denn ich stand selbst vor diesem Problem, als ich etwa 20 Jahre alt war. Bis dahin fühlte ich mich sehr gut betreut und unterstützt, kam dann jedoch in eine Versorgungslücke. Aus der Kinder- und Jugendrheumatologie war ich buchstäblich herausgewachsen und das klassische „Altersrheuma“ lag noch in weiter Ferne. Plötzlich saß ich in Wartezimmern mit Menschen, die dreimal älter waren als ich und musste empfohlene Gelenk-OPs vehement ablehnen. Auch andere Therapievorschläge waren eher auf Menschen mit Arthrose ausgerichtet, nicht jedoch auf junge Leute, die sich gerade erst in ihrem Leben einrichten. Das war unfassbar frustrierend und ich befürchte, Ärzte wie dich, findet man auch heute nur nach langer Suche.

Deine Entscheidung, Patientinnen übers Internet und speziell über soziale Medien zu informieren, ist genau richtig. Dort sind junge Menschen täglich unterwegs, stellen Fragen und versuchen Antworten zu finden.

Eine weitere Idee wäre, Informationen über Vereine wie die Rheumaliga zu streuen. Es gibt unzählige Selbsthilfegruppen für junge Rheumatiker*innen, die bestimmt dankbar über neuen Input sind.

Welche Themen wünschst du dir noch von mir als Fachärztin für Rheumatologie?

Generell wünsche ich mir von Ärzten, dass sie Wert auf Körper und Geist legen, also ganzheitlich denken. Eine chronische Erkrankung nimmt Einfluss auf den gesamten Alltag; Schmerzen beeinflussen die Psyche und manchmal steckt man als Patient bereits tief in negativen Denkmustern fest, bevor es ein Arzt bemerkt und gegenlenken kann. Manchmal wünsche ich mir zusätzlich zur Schmerzabfrage beim Rheumatologen eine Checkliste für die Seele.

Wo finde ich dich, auf welchen Kanälen?

Vielen Dank fürs Teilen! Deine RheumaDocAnna