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Biologika = biologische Basistherapien, auch „biologische DMARD/bDMARD“ in der Fachsprache genannt. DMARD bedeutet Disease-modifying Antirheumatic Drugs. Wörtlich: krankheitsverändernde Medikamente. Also Mittel, die dem entzündlichen Rheuma die Basis entziehen, auch „Basistherapien“ genannt.
„Biologisch“ bedeutet hier nicht: ökologisch wertvoll. Sondern ein Prozess des Herstellens mit lebenden Zellen. Vereinfacht dargestellt produzieren Eistock-Zellen des chinesischen Goldhamsters Antikörper. Das geschieht in den Bioreaktoren – großen Bruttöpfen. Keine Angst! Dafür muss keine Hamsterdame ihr Leben lassen. Die Zellen vermehren sich eigenständig. Sie sind groß und unsterblich.
Biologika-Namen sind meist Zungenbrecher und haben oft lustige Endungen wie -mab und -cept: Adalimumab, Certolizumab, Belimumab, Etanercept, Abatacept usw. „-mab“ kommt von „monoclonal antibody“, also einmonoklonaler Antikörper. „-cept“ steht für „Rezeptormoleküle“.
Biologika kommen zum Einsatz, wenn ein klassiches DMARD nicht reicht, um dein Entzündungsfeuer zu löschen. Ist die Entzündung gut unterdrückt, müssen die Menschen weniger ins Krankenhaus oder sind weniger krankgeschrieben. Sie brauchen auf die Dauer weniger Operationen oder Hilfsmittel. Auch werden sie weniger frühberentet.
Wie schnell wirken Biologika bei Rheuma?
Ist deine Rheuma-Entzündung hoch aktiv, braucht deine Körperfeuerwehr mehr Power: Deine Selbstheilungskräfte plus Medikamente. Um beim Beispiel zu bleiben: Lodert das Entzündungsfeuer hoch, muss eine tatkräftige Feuerwehrmannschaft her. Mit einem kleinen Eimerchen Wasser ist das Feuer nicht zu löschen.
Daher kann die Wirkung eines Medikaments länger dauern, wenn die Entzündung zuvor eine lange Zeit sehr aktiv war.
Generell gilt: Die Wirkung von Biologika merkst du meist ab der 4.-6. Woche. Nach 3 Monaten sollte sich ein Trend zur Besserung zeigen. Für weitere 3 Monate – also insgesamt 6 – sollte dein Medikament eine Chance bekommen, zu zeigen, was es kann. Nach dieser Zeit überlegt man einen Wechsel.
Wichtige Punkte gelten hier noch:
1. Dein Biologikum wirkt besser, wenn ein Kombi-Partner ihn unterstützt: Methotrexat (MTX) zum Beispiel. Das gilt allerdings nicht für AxSpA (= axiale Spondyloarthritis) – hier ist das Biologikum allein stark genug.
2. Bleiben mehrere Biologika ohne Effekt, drängt sich die Frage auf: Stimmt die Diagnose? Haben Schmerzen andere Ursachen wie Weichteilrheuma oder Arthrosen?
3. Viele Biologika sind bei Kinderwunsch erlaubt!
4. Infekte sind unter Biologika erhöht, wenn zusätzliche Dinge zusammentreffen. Dazu zählen das Alter über 65 Jahre, Kortisoneinnahme und Krankheiten, die dein Immunsystem zusätzlich schwächen: die der Niere, Leber und Lunge, zudem die Zuckerkrankheit Diabetes.
Machen Biologika Infekte?
Bitte denke daran: Die hohe Rheuma-Entzündung selbst erhöht das Risiko für Infekte. Dein Immunsystem ist beschäftigt, das Rheumafeuer zu löschen. Da stehen nicht genug – oder geschwächte – Körperpolizisten – unsere weißen Blutkörperchen – zur Verfügung. Fliegen Erkältungsviren vorbei, können sie nicht effektiv bekämpft werden. Daher werden Impfungen empfohlen, besonders gegen die Grippe, Lungenentzündung und ab 50 Jahren (manchmal auch früher) gegen die Gürtelrose. Auch wenn die letzteren nicht vorbeifliegen, sondern in deinem Körper aus ihrem Dämmerschlaf in den Nervenwurzeln des Rückenmarks erwachen.
Biologika können in den ersten 6 Monaten mehr Infekte verursachen – müssen es aber nicht. Schwer zu klären ist, ob ein November-Wetter dir sowieso eine Erkältung beschert hätte.
Das Infektrisiko steigt, wenn du mehr als 10 mg Kortison am Tag nimmst. Auch wenn du Krankheiten der Nieren, Leber oder Lunge hast. Oder die Zuckerkrankheit Diabetes.
Aus der Corona-Zeit haben wir gelernt: Biologika machen NICHT anfälliger für schwere Infektverläufe. Ganz im Gegenteil. Menschen mit Medikamenten aus der Gruppe der TNF-alpha-Blocker haben die Corona-Infektionen besser überstanden und sind seltener gestorben.
Erste Biologika-Erfahrungen mit Biologika bei Rheuma stammen aus dem Jahr 1993. Nach all den Jahren wissen wir, wie bewährt diese Medikamente sind. Frühere Vermutungen, sie könnten Krebs verursachen, haben sich nicht bestätigt! Ganz im Gegenteil. Gegen viele Krebsarten schützen sie: Gute Daten gibt es hier zum Schutz gegen Brustkrebs und Krebs der so genannten soliden Organe. Die wichtigsten Risiken für Krebs sind das Alter und die hohe, unkontrollierte Aktivität der Rheuma-Entzündung.
Kennst du Biosimilar bei Rheuma?
Biosimilar sind Nachfolge-Medikamente zur Biologika: „similar“ heißt „ähnlich“.
Um zu verstehen, warum Biosimilars KEINE „Medikamente 2. Klasse“ sind, musst du folgendes wissen. Biologika sind kompliziert gebaute Eiweiße. Sie bestehen aus vielen kleinen Bausteinen. Ihre Zusammensetzung schwankt – das gehört zu ihrer Natur. Das heißt: Deine Spritze mit dem gleichen Namen ist nicht 100% die gleiche wie vor 1 Jahr oder gar vor 10 Jahren.
Läuft der Patentschutz eines Original-Medikaments aus, dürfen Nachfolger auf den Markt kommen. In der Zulassung müssen sie die gleiche Wirkung und Sicherheit beweisen.
Wenn sich das Original und der Nachfolger doch nicht unterscheiden, wieso bekommst du ein Biosimilar?
Nun, als Biosimilars auf den Markt kamen, waren sie um fast 30% günstiger. Zum Glück finanziert unsere Sozialgemeinschaft diese kostspieligen, sehr wirksamen Medikamente. Nicht in allen Ländern ist das möglich.
Ein Biosimilar kann Nebenwirkungen seines Vorbildes haben. Da andere Stoffe zugesetzt sind, können andere Reaktionen auftauchen. Nimmst du ein Medikament, können zeitgleich in deinem Leben folgendes passieren: Erkältung, Durchfall, Übelkeit, Haarausfall, Blasenentzündung – nur um ein paar Beispiele zu nennen. Besonders empfindsame Personen verspüren auch ohne Medikamente bereits ein Unwohlsein. Eine Erkältung oder eine Blasenentzündung kommen nun mal im Leben vor.
„Unspezifische Nebenwirkungen“ kommen häufiger vor, wenn ein Arztgespräch zum Wechsel zu kurz war und nicht alle Unklarheiten beseitigen konnte. Kloßgefühl im Hals, Kopfschmerzen, Kribbeln in den Händen und um den Mund, Herzrasen können ein Ausdruck von Angst sein. Selbstverständlich solltest du auf dich achten und bei ernsten Problemen ärztliche Hilfe suchen.
Biologika-Pause bei Rheuma
Du nimmst ein Biologikum und musst eine Pause einlegen. Grund dafür ist meist eine Operation. Auch vor den anstehenden Impfungen wird es diskutiert.
Wichtig: Ein Kinderwunsch ist kein Grund für eine Biologika-Pause. Ganz im Gegenteil. Gerade in dieser Phase ist es notwendig, konsequent die Rheuma-Entzündung zu unterdrücken: für die sichere Schwangerschaft und das gute Wachsen des Babys. Im Laufe der Zeit wurden immer mehr Sicherheitsdaten gesammelt. Ergebnis: Die meisten Biologika sind sicher und akzeptabel. Zu manchen davon gibt es solide Studien – wie für die Gruppe der TNF-alpha-Blocker. Andere Biologika werden nach guter Abwägung gegeben, besonders, wenn TNF-alpha-Blocker sich als unwirksam erwiesen haben. Mehr dazu in meinem Blogthema “Rheuma und Kinderwunsch”.
Vor einer Operation empfehlen die Fachgesellschaften eine Pause von einem Spritz-Abstand. Auch hier werden die Empfehlungen immer weniger einschränkend. Wenn die Wunde nach der Operation abheilt – meist nach Fadenzug – wird das Medikament wieder angesetzt. Es gibt neuerdings Studien, in denen Biologika weitergegeben werden. Solche Berichte gibt es zu „sauberen“ Operationen, wie zum Beispiel an der Hüfte.
Problem einer Biologika-Pause: Schnellt die Aktivität der Rheuma-Entzündung hoch, heilen die Wunden schlechter ab. Noch riskanter wird es, wenn Kortison nötig ist, um den Schub zu unterdrücken. Laut Umfragen unterschätzen viele Patient:inen und Ärzt:innen das Infektrisiko von Kortison.
Das Gleiche gilt für Impfungen. Man nimmt an, dass unter Basismedikamenten die Impfantwort etwas herabgesetzt ist. Zur Erinnerung: Kein Impfstoff hat eine Wirksamkeit von 100%. Je älter der Mensch ist, desto schwächer ist seine Impfantwort.
Überhaupt muss eine Pause von Medikamenten gut überlegt sein. Das Risiko eines Schubes steigt und damit das Infektrisiko. Auf jeden Fall ist eine Absprache mit deiner Rheumaärztin/deinem Rheumaarzt sinnvoll. Nur für das Medikament Rituximab ist zu planen: Es wird 2-4 Wochen nach oder 5 Monate vor einer Impfung gegeben.
Gute Biologika-Erfahrungen bei Rheuma
Biologika sind biologisch hergestellte Basistherapien in der Rheuma-Behandlung. Sie werden als Spritze gegeben, da sie als Eiweiß im Magen verdaut werden. Sie haben eine schnelle Wirkung und erlauben es, Kortison einzusparen. Sie können manchmal, besonders in der Anfangszeit, Infekte begünstigen. Sie schützen zuverlässig davor, dass die Rheuma-Entzündung die Gelenke oder Organe schädigt. Biologika verlängern das Leben, indem sie unangenehme Langzeitfolgen von Rheuma-Krankheiten verhindern, die den Körper vorzeitig altern lassen.
Immer mehr Biologika gelten für die Zeit des Kinderwunsches, der Schwangerschaft und der Stillzeit als sicher und akzeptabel. Die Risiken für Mutter und Kind resultieren hier nicht aus der Gabe von Medikamenten, sondern aus der Rheuma-Entzündung selbst. Biologika gelten bei Männern, die ein Kind zeugen wollen, als unproblematisch.
Eine individuelle Beratung durch deine Rheumaärztin oder deinen Rheumaarzt hilft dir, das richtige Medikament auszuwählen.
