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Gibt es richtigen oder falschen Sport bei Rheuma?

    Hast du dich hier auch mal unsicher gefühlt, ob Sport bei Rheuma richtig oder falsch ist? Welche Bewegung die richtige für dich ist? Besonders wenn ein Rheumaschub dich belastet. Oder du bist beunruhigt, ob zuviel Belastung einen Rheumaschub auslösen kann? Musst du dich bei Rheuma immer schonen? Lese hier, was bereits wissenschaftlich untersucht ist und anderen geholfen hat. 

    Lass uns zunächst einen kleinen Ausflug in die Geschichte machen. Noch bis vor wenigen Jahrzehnten hatte man genau diese Einstellung: “Bei Rheuma immer schonen und ruhig stellen”. Menschen – auch Kinder – wurden manchmal für Monate(!) ins Bett gesteckt. Bei mir in der Klinik gibt es Fotos mit solchen Bildern, die mich traurig stimmen. Diese Zeiten sind zum Glück vorbei. Unter anderem, weil die Kinder machten, was sie wollten – trotz aller Gegenratschläge. Heute wissen wir, wie wichtig Bewegung bei Rheuma ist. Sie wirkt wie ein Medikament. Die einzige Nebenwirkung kann Muskelkater sein.

    Ist Sport bei Rheuma gefährlich?

    “Sport ist bei Rheuma gefährlich!” Hast du diesen Satz schon mal gedacht oder gehört? Sogar von deinen Ärzt:innen? Wenn du einen frischen Knochenbruch oder eine Verletzung hast, ist diese Einstellung richtig. Bei einer chronischen Krankheit wie Rheuma nicht. Heute weiß die Wissenschaft – und ab jetzt auch DU! – es besser:

    –  Die Bewegung wirft deinen Motor gegen Entzündungen an, in dem sie bestimmte Botenstoffe ankurbelt 

    –  Deine Muskeln werden kräftiger. Sie sind deine Eiweißspardose für die Zukunft und der Garant dafür, dass du bei einem zufälligen Stolpern nicht stürzt

    –  Schmerzen werden geringer: Deine gekräftigten Muskeln stabilisieren die Gelenke und wirken wie ein äußeres Korsett.  

    – Mit Hilfe des Sports kannst du die Müdigkeit überwinden, die oft ein lästiger oder sogar lähmender Begleiter bei Rheuma ist. 

    Welche Sportart bei Rheuma passt zu dir?

    Der Satz: “Finde den richtigen Sport für dich, der dir Spaß macht, dann wird alles leicht!” stimmt nur bedingt. Es ist wunderbar, wenn du die richtige Sportart für dich findest, Freude dabei hast und konsequent dabei bleibst. Das ist ein Glückstreffer. Bei den meisten Menschen sieht es anders aus. Zum einen solltest du nach Bewegungsart schauen, die mit deinen Einschränkungen möglich ist. Erfrischend ist zu schauen, was Athlet:innen bei den paralympischen Spielen zustande bringen. Werfe dort einen Blick hinein und hole dir den Motivationsbooster. Von “Ich kann es nicht wegen der von Rheuma angegriffenen Hände/Füße/Knie…” zum “Was ist mir möglich und wie gehe ich es an?” ist oft nur ein kleiner Schritt, der dich auf lange Sicht sehr weit bringt. Mit deinen Ideen und den konkreten Tipps durch deine Physiotherapeutin oder deinen Physiotherapeuten. 

    Der zweite Haken mit dem Leichtigkeitsversprechen beim Sport ist: Er macht nicht immer Spaß. Das tut das Zähne putzen auch nicht. Trotzdem tust du es (ich hoffe es – und zwar jeden Tag?). Wenn du die Bewegung fest in deinen Alltag einbaust – wie das Zähne putzen – wird sie zu einer guten Gewohnheit, über die du nicht groß nachdenkst: “Tue ich es heute oder tue ich es nicht?” Dazu gehören fest eingetragene Zeiten für den Sport in deinem Kalender. Noch charmanter ist es abends alles für deine morgendliche Bewegungseinheit zurechtzulegen. So startest du in den Tag, bis es zur Gewohnheit wird – wie das Zähne putzen es auch für dich wurde. 

    Was bei Rheuma noch hilft, sich zwei Bewegungspläne zurechtzulegen: eins für die guten Tage und eins für die schlechten Phasen, in denen das Rheuma sich in den Vordergrund drängt. Tue es am besten schriftlich! Das hilft dir in den schwierigeren Zeiten, dich nicht als Versagerin zu fühlen, nur weil du dein Pensum an Bewegung nicht schaffst.  

    Welcher Sport ist bei Rheuma erlaubt? 

    Diese Frage höre ich immer wieder. Hast du dir auch schon mal gestellt? 

    Die Antwort ist: alle! Günstiger sind 

    • Wassergymnastik und Schwimmen – Wasser trägt dich, entlastet Gelenke, lässt die Muskulatur stärken. Viele Patientinnen berichten mir, dass sie sich dabei leicht fühlen. Besonders das  warme Wasser kann Schmerzen lindern und die Beweglichkeit steigern.
    • Nordic Walking – eine ganzheitliche Sportart, bei der fast alle Körpermuskeln trainiert werden – dazu noch dein Kreislauf. Nordic Walking entlastet die untere Körperhälfte, braucht etwas Stabilität in den Handgelenken. 
    • Radfahren – Die Füße, Knie, Hüften, der Rücken sind entlastet, trainiert die Beinmuskeln. Bei flotter Fahrweise stärkt es dein Herz.
    • Yoga und Thai Chi – reduziert Schmerz und Rückenschmerzen, zentriert dein Atem und reduziert so den Stress. Sind Gelenke schmerzhaft oder sogar dauerhaft beschädigt, sind Bodenübungen weniger günstig. Alternative hier ist das Stuhl-Yoga (ja, auf einem Stuhl – suche dies zum Beispiel auf Youtube)
    • Krafttraining – aus meiner Sicht eine der wichtigsten Sportarten überhaupt. Es gibt keine dauerhafte (Frauen-)Gesundheit ohne Kraftsport. Andere Sportarten bauen die Muskeln auch – nicht so effektiv wie der Kraftsport. Wir brauchen unsere Muskeln, um im Alltag zurechtzukommen. Wenn du jetzt an muskelbepackte Bodybuilder denkst, keine Sorge, so wirst du nicht enden! Starke Muskeln aufzubauen, die dich noch Jahrzehnte lang tragen, ist ein langer Prozess. Der Metallwiderstand der Trainingsgeräte beim Kraftsport ist extrem effektiv. Natürlich braucht es eine Anleitung, um am Anfang keine Überlastung und damit keinen Motivationsknick zu erleiden. Für absolute Beginnerinnen gilt es hier: Ganz ohne Widerstand anzufangen, Besonderheiten DEINES Körpers und DEINER Gelenke zu beachten. 

    Verbotene Sportarten bei Rheuma?

    Es gibt Aktivitäten, die die Gelenke überlasten können, insbesondere bei akuten Entzündungen. Dazu zählen Kontaktsportarten wie Fußball, Handball, Basketball oder Boxen. Hier kann das Verletzungsrisiko und die Belastung für die Gelenke hoch sein. Hohe Stoßbelastung auf die Gelenke kann das Laufen auf hartem Untergrund, z. B. Marathon, Sprinten mit sich bringen. Auch Sportarten mit ruckartigen Bewegungen wie Tennis und Squash können die Entzündungen verstärken. 

    Bei allem gilt: Magst und machst du eine Sportart bereits lange und bringt sie dir viel Freude, spricht nichts dagegen, in einer stabilen Phase diese zu machen. Du musst darauf nicht verzichten. Ich habe Patient:innen, die Ski fahren, Fußball spielen oder joggen. Ein engagierter Mann mit einer entzündlichen Erkrankung der Wirbelsäule – axialer Spondyloarthritis, auch AxSpa genannt – leitete jahrelang einen Handballverein und war dort ein aktiver Spieler. Zwar drehte sich seine Wirbelsäule nicht wie bei Menschen ohne Rheuma – dafür waren sein Reaktionsvermögen spitze und sein Teamgeist ungebrochen. 

    Warst du früher ein aktiver Mensch, kann dir der starke Wunsch, wieder zu deiner geliebten Sportart zurückzukehren, dein stärkster Motivator werden! Was Spitzenathletinnen für sich nutzen, kannst du auch: Stellen dir immer wieder vor, wie du dich wieder ungestört bewegst, wie dein Körper alle Bewegungen exakt ausführst. Übe das in deiner Vorstellung regelmäßig (am besten im Rahmen deiner Morgenroutine – mein größter Unterstützer im Alltag. Mehr davon mit praktischer Umsetzung in “Rheuma und Fit”). Mache es wie eine Spitzensportlerin nach einer Verletzung. Ist die akute Phase überstanden, fängst du ganz unten an: Mit wenigen Wiederholungen und wenig Belastung. Danach kommt das Wichtigste! Langsam anfangen und kontinuierlich steigern. Meine Großmutter sagte: “Du musst so viele Wiederholungen machen, wie alt du bist!” Sie musste es wissen. Schließlich ist sie 99 Jahre alt geworden und lebte bis auf die letzten drei Monate selbstständig in ihrer eigenen Wohnung. 

    Den richtigen oder falschen Sport bei Rheuma gibt es nicht

     Entscheidend sind die Möglichkeiten deines Körpers. Am besten hast du zwei Pläne: Für die guten und weniger guten Zeiten. In Schüben brauchst du sanftere Alternativen, die du dir in guten Zeiten überlegst – am besten schriftlich oder in Bildern (sehr effektiv, da unser Gehirn besser in Bildern denkt). Sport macht nicht immer Spaß – das tut das Zähneputzen auch nicht. Regelmäßigkeit ist wichtig! 9 Monate mindestens jeden zweiten Tag. Scheint es dir viel? Auf deine restliche Lebenszeit übertragen ist es nicht – um so mehr werden deine kräftigen Muskeln im Alltag gebraucht. Schon gewusst? Mit jeder Bewegungseinheit beugst du übrigens einer Demenzentwicklung vor!