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Warum ist Bewegung bei Rheuma gerade für Frauen wichtig?

    Neulich erzählte eine nette Patientin in einer Patientenschulung: Sport würde sie gerne machen. Sie ist abends dafür zu müde. Darauf sagten drei andere Frauen wie aus einem Mund: „Dann mache es morgens!“ Super Tipp, denn Bewegung bei Rheuma ist gerade für Frauen wichtig. 

    Ist das etwas für dich: Morgens eine Bewegungseinheit in den vollgepackten Alltag einzubauen? Schließlich schaffst du es, dir Zeit fürs Zähne putzen zu nehmen – oder etwa nicht?

    Deinen Körper zu pflegen und zu bewegen ist wie ein Vorrat an Muskeln für schlechtere Zeiten anzulegen. Und für deine Zukunft! Wenn du am Abend völlig müde bist, dann trotzdem eine kleine Bewegungseinheit schaffst, wirst du erstaunt sein, wie gut es dir hinterher geht. Wie erholsam dein Schlaf ist.

    Hat das Rheuma – oder das Leben – dich länger von der ausreichenden Bewegung abgehalten, fragst du dich bestimmt, wie und wo du anfängst. Ganz einfach: Ein Spaziergang von 10 Minuten Dauer. Oder die gleiche Dauer auf einer Vibrationsplatte (wenn du kein Metall in deinen Gelenken hast). Dann gilt es: Wie eine Leistungsathletin nach einer verletzungsbedingten Pause zu trainieren. Diese fängt ja nicht auf dem alten Niveau an, sondern in kleinen Schritten und steigert die Belastung langsam. 

    Warum ist Sport für Frauen wichtig? 

    In der Mitte des Lebens einer Frau – im Schnitt ab Ende 30 – beginnen im Körper einer Frau langsame Veränderungen. Es kommt zu einem Abschwung der weiblichen Hormone, die bei den meisten Frauen mit Anfang Fünfzig vollständig versiegen. Wenn du jetzt unangenehm berührt bist oder gar einen Schrecken bekommst – es ist menschlich. Es ist immer besser, wenn du weißt, was mit dir passiert. Anstatt von manchen Beschwerden überrollt zu werden. Oder eine lange Arztodyssee hinter sich zu haben, bevor du dahinter kommst. Fakt ist: Schwinden weibliche Hormone während der Wechseljahre, schwindet auch die Muskulatur. Es wird schwieriger, Muskeln nach einer Schonpause wieder aufzubauen. Zusammen mit den Muskeln werden auch die Knochen dünner, auch wenn du das von außen nicht bemerkst. Diesen Zustand – wenn der Knochenschwund eine bestimmte Grenze erreicht hat – nennt man “Osteoporose”. Sie kann wiederum das ganze Leben negativ verändern, nämlich wenn Knochenbrüche dazukommen. Diese Knochenbrüche sind tückisch, da sie oft bei normalen Alltagsbewegungen vorkommen. Beim Bücken, sich im Auto nach hinten drehen, um von der Rückbank etwas zu holen. Oder beim Stolpern, weil man sich nicht mehr gut abfangen kann. Menschen haben nach einem solchen Bruch – “osteoporotischer Bruch” genannt – nicht nur starke Schmerzen. Sie bekommen oft eine beklemmende Angst, sich zu bewegen, um keine weiteren Brüche zu bekommen. 

    Wie funktioniert die Physiologie der Frau: weibliche Hormone und was bei Rheuma anders läuft

    Warum ist dieses Thema wichtig? Weil wir, Frauen, heute viel länger leben als noch vor 150 Jahren. Damals erreichten Frauen oft nicht mal das 50. Lebensjahr. Sie wurden mit solchen schicksalhaften Ereignissen nicht konfrontiert. Heute leben wir zum Glück länger. Dadurch sind am Ende der Hormone noch viele Lebensjahre übrig. Bevor du hier in Panik verfällst: Es gibt eine Lösung! Sie lautet: Du informierst dich in verlässlichen Quellen über eine so genannte “Hormonersatztherapie” und entscheidest dann (in dieser Reihenfolge!) zusammen mit deiner Frauenärztin, ob dies für dich in Frage kommt. Nicht möglich ist diese Anwendung zum Beispiel nach Brustkrebs. 

    Grob umrissen haben wir drei Geschlechtshormone, die in den Wechseljahren langsam weniger werden, bis sie ganz verschwinden: Östrogene, Gestagene und Androgene. 

    • Östrogene sind Hormone der Weiblichkeit.Entgegen früherer Annahmen macht sie keinen Krebs: Sie sind keine Krebserzeuger. Östrogene sind die den Wachstum antreibenden Hormone, zum Beispiel lassen sie die Brust in der Pubertät wachsen. Sie haben einen großen schützenden Effekt auf nahezu alle Zellen des Körpers: Muskeln, Knochen, Gehirn, die Harnblase und ihren Schließmuskel, die Scheiden- und Schamlippen(schleim)haut, Blutgefäße, Fett- und Blutzuckerstoffwechsel, das Immunsystem. Ihr Mangel führt zudem zur Antriebslosigkeit.
    • Gestagene – hier der natürliche Vertreter Progesteron – sorgen für ein entspanntes Nervenkostüm. Rechtzeitig gegeben lindert es Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen und die Depressivität. Teilweise sind seine Effekte auf das Immunsystem und die Gesundheit des Knorpels bekannt. 
    • Das Testosteron ist das Haupthormon der Männlichkeit und kommt bei Frauen auch vor. Es sorgt für starke Knochen und Muskeln, für die Sexuallust der Frau und die Lebenskraft, die du brauchst, um Pläne im Leben umzusetzen und Dinge kraftvoll anzugehen. Auch hier sorgt der Mangel für eine Antriebslosigkeit – ähnlich wie der Östrogenmangel. Beide Hormone werden zudem als Ursache für die Trockenheit der Schleimhäute am Auge, Mund und Nase angesehen.  

    Wie du siehst, verliert der Körper einiges an seinen Funktionen, wenn die Geschlechtshormone sie nicht antreiben. Oder macht sie mühsamer.

    Wie wirken sich Rheuma-Entzündungen auf weibliche Hormone aus?

    Bei entzündlichem Rheuma unterdrücken die unkontrollierte Entzündung und das eingenommene Kortison die Regelkreise der Hormone. So mangelt es bereits weit vor den Wechseljahren an guten Impulsen im Körper, kräftige Muskeln und Knochen aufzubauen oder diese zu erhalten. In und nach den Wechseljahren kommt es zu einem schnellen Verlust dieser Mitspieler deiner Gesundheit. Daher ist es wichtig, sich immer zu fragen: Wo stehe ich mit meiner Gesundheit, die mich im Alltag und noch viele Jahrzehnte in der Zukunft trägt? Eine informierte Entscheidung für eine Hormonersatztherapie und deine Mission, ja gar eine neue Identität, eine Athletin zu sein, sind die Grundsteine dafür. Nach den neuesten Erkenntnissen gibt es keine gute Gesundheit für Frauen im Alter ohne Ersatz der weiblichen Hormone (und des Testosterons). Sicher sind es Medikamente, die du nur mit einem Rezept bekommst. Dafür brauchst du gute Informationen im Vorfeld und eine Frauenärztin oder Frauenarzt deines Vertrauens, die dich in dieser Lebensphase begleitet. Man gibt damit den Körper, was er selbst nicht mehr macht – weil der Vorrat an Eizellen in den Eierstöcken aufgebraucht ist. Mehr dazu erfährst du im inspirierenden Buch “Women on fire“ von Sheila de Liz.

    Die vier Säulen der ganzheitlichen Bewegung

    Hast du dir aus den vorigen Abschnitten mitgenommen, was für ein Wundercocktail dein Körper zur Verfügung hat, gilt es jetzt, einen Plan für die Zukunft zu machen!

    Dafür sind folgende zwei Schritte wichtig:

    1. Die Bestandsaufnahme. 

    Wie viel hast du dich in den letzten sieben Tagen bewegt? Nimm dir am besten einen Stift und ein Blatt Papier – oder dein wunderschönes Schreibheft – und notiere es: Wie viele Treppen bist du gestiegen, ohne einen Aufzug zu nehmen? Wie viele Spaziergänge gemacht? Sportkurse besucht? Oder zu Hause Gymnastik gemacht? 

    1. Wo findest du Zeit für mehr Bewegung?

      Auf was kannst du verzichten, um deine Gesundheit zu priorisieren? Zu welchen Dingen, Einladungen, Aktionen sagst du “Nein”, um dich dir selbst zu widmen? Hier verrate ich dir etwas. Dieser Punkt ist der ungemütlichste. Das Heraustreten aus der berühmten Komfortzone, hinter der ein Wunder liegt, nämlich dein besseres Körpergefühl, weniger Müdigkeit, mehr Energie und das gute Gefühl, etwas Großes geschafft zu haben! Nicht allen in deiner Umgebung wird es gefallen. Auch darauf darfst du vorbereitet sein. Du bist jetzt auf einer Mission: Dein Körper, deine innere Einstellung, dein Leben mit mehr Kraft und Energie zu versorgen. Nur so kannst du den anderen – deiner Familie, Freund:innen, Kolleg:innen – mehr geben. 

    Die 4 Säulen der ganzheitlichen Bewegung sind: Training für Ausdauer, Kraft, Koordination und Elastizität (=Dehnen). Dein Bewegungsprogramm braucht diese vier Elemente, wenn du auf die lange Sicht einem Muskelschwund und einem anstrengenden Alltag entgegen trittst. Welche Sportarten genau du dafür brauchst, ist zweitrangig. Wichtig ist, dass alle vier Säulen bedient werden, ohne Ausnahme. 

    Denkst du, der Kraftsport ist nichts für dich als Frau?

    Viele Frauen scheuen sich vor Kraftsport. Sie fragen ungläubig: “Wie muss ich wirklich ins Fitnessstudio gehen?” Du musst es nicht, aber es ist der leichteste Weg. Die Kraft der Metallgewichte ist ein großer Helfer. Klar, es gibt Übungen mit dem eigenen Körpergewicht, mit denen du Zuhause schon heute auf dem Teppich im Wohnzimmer – oder wo auch immer eine geeignete Ecke ist – anfangen kannst. Es gibt elastische Bänder oder Gewichte, die du dir ins Haus holen kannst. 

    Ein weiterer Pluspunkt für ein Fitnessstudio: Dort sind Menschen, die genau diese innere Einstellung haben, die du brauchst. Sie sind gesundheitsbewusst und haben in vielen Lebensbereichen gute Gewohnheiten. Weißt du, was das schwerste Gewicht in einem Fitnessstudio ist? Die Eingangstür! Bist du einmal drin, läuft es wie von allein. Wenn du dich unwohl fühlst, weil du denkst: “Ich will nicht hin. Die Leute gucken!”, kann dich beruhigen: Die Leute gucken nicht, sie denken… an sich. Nicht an dich. Für mich ist es ein großer Türöffner in jeder unbekannten Situation zu sagen: “Hallo, ich bin Anna. Wie heißt du?” Schon schaut man sich freundlich in die Augen an und alle sind entspannt. Du kannst auch eine nette Frau neben dir – auch wenn sie im Moment ernst schaut – fragen, wie sie diese oder jene Übungen macht. Menschen lieben es, ihre Meinung zu sagen – und du bekommst eine kleine Lektion. 

    Wenn du jetzt denkst: Meine Gelenke sind verändert, die Muskeln zu schwach – was kann ich überhaupt an Geräten tun? In jedem guten Studio wirst du an die Geräte herangeführt. Du kannst auch ganz ohne Gewichte anfangen. Dein Körper darf schließlich lernen, was du von ihm willst. Sage ruhig der Mitarbeiterin des Studios, dass du Rheuma hast. Auch wenn nicht jede weißt, was das ist: Du solltest für deinen Körper sorgen und ihn am Anfang nicht überfordern. Du erinnerst dich? Auch ein Leistungssportler trainiert nach einer Verletzung nicht mit voller Kraft. Er oder sie fängt ganz leicht an und steigert langsam und stetig die Belastung. 

    Noch drei Tricks:

    1. Deine Bewegung im Alltag ist eine wahre Fundgrube an Muskelkräftigung.

    Jede Treppe, die du ohne Aufzug gehst, jede schwere Tasche, die du trägst und jede Strecke zum Einkauf, die du ohne Auto, sondern zu Fuß oder mit dem Auto erledigst, zahlen auf dein Bewegungskonto ein! Es verbraucht nicht nur Kalorien, sondern steigert deine Ausdauer und deine Kraft. Warum sollen wir dieses unschätzbare Potenzial verschenken? Außerdem weiß die Wissenschaft inzwischen: Unterbrichst du die Sitzpausen, geht dein Puls hoch. Außerdem werden die großen Muskeln der Hüftbeuger, die von der Wirbelsäule zu den Oberschenkeln verlaufen, durchblutet. Der Glukosehaushalt springt an, um Zucker zu verbrennen und seine unsäglich schädigende Wirkung auf unsere Organe und Blutadern zu stoppen. Am besten hast du eine Stopp- oder Sanduhr, die du auf deinem Schreibtisch hast: Umdrehen und los an die Arbeit, die nach so einer Pause leicht von der Hand geht. Ich selbst nutze dafür eine App mit Katzenschnurren. Hat die Katze das Schnurren beendet, mache ich eine Pause. Es stärkt den Fokus und steigert meine Produktivität. 

    1. Kalendereintrag

    Wie lange brauchst du, bist du erkennbar gekräftigte Muskeln bei dir wahrnimmst? Neun Monate brauchen Muskeln, wenn du jeden zweiten Tag trainierst! Findest du es lang? Überlege, wie lange du noch lebst: Im Vergleich dazu ist es nicht lang. Du weißt, wofür du das tust: Ein Alltag, in dem viele Bewegungen ein Kinderspiel sind. Eine Rheuma-Erkrankung, die im Stillstand ist, weil die Muskeln bei ihrer Arbeit die Wunderwaffen ausfahren: Botenstoffe namens Myokine, die wie dein anti-entzündliches Medikament wirken.  Für deine festen Bewegungsrationen brauchst du feste Einträge in den Kalender. Egal, ob du Sportkurse besuchst, zuhause trainierst oder spazieren gehst. Was dort nicht steht, wird meistens nicht stattfinden – weil das Leben uns immer dazwischenkommt.

    1. Willst du Gewicht verlieren? 

    Dann gilt es, nach deiner abendlichen Bewegungsportion hinterher nichts zu essen! Diesen Trick hat mir eine Diabetologin verraten. Das sind Ärzte, die sich um Menschen mit der Zuckerkrankheit Diabetes kümmern. Ich habe es selbst ausprobiert und darf diese „Sport – Intervallfasten“- Kombi nicht machen. Sonst werde ich zu dürr. Alternativ darfst du z.B. eine Buttermilch – mein Favorit –  trinken oder einen Salat aus frischem Gemüse und Tofu (Fleischvariante für die Eiweißquelle: Hähnchen) essen. Ungesüßte Getränke erlaubt. Wichtig: keine schnellen Kohlenhydrate.

    Bewegung bei Rheuma für Frau: wichtig und gut in den Alltag zu integrieren

    Sport bei Rheuma ist dein Medikament ohne Nebenwirkungen! Vielleicht mit etwas Muskelkater, wenn du nach einer langen Pause startest oder ungewohnte Übungen ausführst. Botenstoffe, die nach einer gewissen Zeit deiner Trainingseinheit in den Muskeln entstehen – sogenannte “Myokine” – bekämpfen direkt die Entzündungsbotenstoffe. Sie unterbinden die Kommunikation zwischen den Entzündungszellen und wirken wie Basismedikamente (Du erinnerst dich: Basismedikamente unterdrücken langfristig die Rheuma-Entzündung). Die oft gegebene Empfehlung “Bei Rheuma nur milde Belastung” ist für die Phasen der starken Entzündung passend. Bezogen auf dein ganzes Leben bedeutet sie eine Abwärtsspirale. Unser Ziel ist es, immer fitter zu werden – nicht weniger.

    Die Bewegung gehört – neben den Medikamenten, der gesunden Ernährung und der emotionalen Gesundheit – zu den wichtigen Pfeilern für dein gesundes und langes Leben. Deine emotionale Gesundheit und deine tägliche Bewegungsportion haben einen großen Einfluss auf die Entzündung und dein gesamtes Leben. Sie werden oft zu wenig beachtet. 

    Mit jeder Bewegungseinheit zahlst du auf dein Konto für das lange und gesunde Leben ein: Verhinderst die Demenz und erhältst deine Muskeln und Knochen. Das Krafttraining zur Muskelstärkung wird im Laufe des Lebens einer Frau immer wichtiger, besonders wenn die Geschlechtshormone nachlassen. Es ist etwas mühsamer, als sich eine Dose mit Nahrungsergänzungsmitteln zu kaufen: Hier braucht es eine Verhaltensänderung, die nachhaltig und am Anfang unbequem ist. Am Ende wirst du mit einem energiegeladenen Alltag belohnt. Also gehe los – für dich!