Bei der Frage, ob Bewegung bei Rheuma wichtig ist, sollten wir erst noch einmal einen Schritt zurücktreten und auf das Thema allgemein schauen. Zu welcher Kategorie der Menschen gehörst du? Es gibt nämlich drei davon.
- Den ersten ist die Bewegungsfreude angeboren und sie haben Spaß daran. Sie müssen sich nicht überwinden, schwitzen gerne im Fitnessstudio, joggen draußen bei Regen oder tun andere Dinge, bei denen andere sagen: “Viel zu anstrengend” (Ja, auch ich, Anna, gehöre dazu. Es wurde mir von Kleinkind an von meiner Familie vorgelebt).
- Die zweite Gruppe Menschen – das sind die meisten – würden gerne mehr Bewegung in ihren Alltag holen. Nur irgendwie kommt immer das Leben dazwischen oder einfach ein verdienter Feierabend: “So, jetzt habe ich mir meine Ruhe verdient!”. Bei diesen Menschen helfen oft Informationen und motivierende Vorbilder. Auch der sogenannte “gruppendynamische” Effekt, wenn Freundinnen sich regelmäßig zum Bewegen treffen oder die Mitmenschen im Sportverein fragen: “Na, wo warst du letzte Woche? Wir haben dich vermisst!”
- Und die dritte Gruppe? Es gibt Menschen, die bewegen sich einfach nicht. Um gar keinen Preis, auch nicht trotz des besseren Wissens und selbst nicht nach Wendungen im Leben, die mehr Sport erfordern. Da können die engagiertesten Motivatoren verzweifeln – es hilft einfach nichts. Das muss ich auch als Ärztin akzeptieren und übergebe das in die Eigenverantwortung. Wie mein jüngerer Sohn mal gesagt hat: “Schließlich ist nicht jeder so bewegungsbegeistert wie du, Mama!”.
Was gibt dir die Bewegung bei Rheuma auf lange Sicht?
Durch die kräftigen Muskeln bleiben die Gelenke geschmeidig (oder werden es wieder), Schmerzen und Entzündungen werden gelindert. Durch die wachsende allgemeine Fitness kannst du die Müdigkeit überwinden, die bei entzündlichem Rheuma ein häufiger Begleiter ist. So fühlst du dich im Alltag voller Kraft und Energie geladen – bereit für alles, was dein Tag für dich an Aufgaben hält.
Du hast entzündliches Rheuma – wie ist deine Einstellung zu Bewegung?
Gehört sie zu deinem Alltag wie Essen, Trinken und Schlaf? Oder hast du sogar Sorgen, das Rheuma durch Sport zu verschlimmern? Es gibt da etwas, was dich in deiner Einstellung definitiv zum Positiven bewegen wird. Meinen Patienten gebe ich immer diesen einen Tipp: “Bewegung IST unser Medikament gegen das entzündliche Rheuma! Ohne Nebenwirkungen.” Es gibt bereits viele wissenschaftliche Daten dazu, wie dir der nachfolgende Text zeigen wird.
((Bild von dir mit Sprechblase und diesem Text))
Es ist faszinierend! Lässt du deine Muskeln länger als 30 Minuten arbeiten, werden im Körper bestimmte Botenstoffe freigesetzt. Dabei muss dein Puls hochkommen und die Atmung knapper werden. Es muss also etwas anstrengend sein.
Myokine: dein Entzündungs-Vernichtungsmotor
Wie findest du das richtige Maß? Die Zauberformel lautet: Du kannst dabei noch sprechen, aber nicht singen! Dann ist die Belastung richtig und dein Entzündungs-Vernichtungsmotor läuft an. Die besagten Botenstoffe – genannt Myokine – werden beim Sport in der Muskulatur produziert. Sie vernichten wiederum die Botenstoffe, die deine Rheuma-Entzündung befeuern. Die modernen Medikamente – Biologika – funktionieren im Immunsystem auf dem gleichen Weg. Sie blockieren gezielt die gleichen Botenstoffe der Entzündung. Beispiele sind Biologika gegen Tumor-Nekrose-Faktoren (=TNF) oder Interleukine (=IL). Übrigens werden Myokine gerade als Medikamente entwickelt. Allerdings nicht gegen entzündliches Rheuma, sondern gegen den Knochenschwund (=Osteoporose).
Abgesehen von diesem Zaubercocktail geben kräftige Muskeln gerade bei entzündlichem Rheuma, wenn Gelenke, Sehnenscheiden oder Muskeln selbst betroffen sind, eine Stabilität. Sie gleichen schmerzbedingte Fehlhaltungen aus. Trainierte Muskeln verspannen sich weniger. Oft sitzen im Nacken oder entlang der Wirbelsäule hartnäckige Muskelverspannungen.
Bewegungsmangel und Müdigkeit
Ein weiteres Problem belastet nicht selten das Leben mit Rheuma. Gerade Frauen, wenn sie älter werden, beklagen oft eine starke Müdigkeit. Da gehen der Muskelabbau und der Konditionsverlust leider Hand in Hand. Kräftige und gut trainierte Muskel machen viele Alltagsbewegungen zum Kinderspiel. Sie lassen dich all die Dinge möglich machen, die du dir im Leben wünschst: Hobbys, Unternehmungen, Urlaub, Arbeit, Haustiere betreuen oder Familie.
Wann bringt dir Bewegung bei Rheuma erste Ergebnisse?
Wenn du den Entschluss fasst, wirklich fitter zu werden, braucht es Aufmerksamkeit, Zuwendung und Zeit für deinen Körper. Die Muskulatur braucht etwa 9 Monate, um stark und kräftig zu werden – wenn du jeden zweiten Tag trainierst. An den Füßen dauert es noch länger: bis zu 1,5 Jahre. Wenn du jetzt schon aufgeben willst: Wie lange lebst du noch? 20, 30, 40 Jahre oder länger? Was sind dann schon im Vergleich dazu die 9 Monate? Ein Bruchteil davon! Das tust du für dich – für keinen anderen! Wir haben unseren Körper von Natur einmal bekommen – es gibt keinen anderen.
Darum ist Bewegung wichtig: immer!
Es gibt drei Gruppen von Menschen im Umgang mit Bewegung: Die Bewegungsfreudigen, die sich mühelos motivieren; diejenigen, die sich mehr Bewegung wünschen, aber im Alltag scheitern; und jene, die sich grundsätzlich nicht bewegen. Besonders bei entzündlichem Rheuma wirkt Sport wie ein Medikament, da durch die körperliche Aktivität entzündungshemmende Botenstoffe – Myokine – freigesetzt werden. Diese unterstützen nicht nur die Rheumabehandlung, sondern fördern auch die Stabilität der Gelenke und verhindern Muskelverspannungen. Kräftige Muskeln erleichtern den Alltag, lindern die Müdigkeit und steigern die Lebensqualität. Der Weg zur stärkeren Muskulatur erfordert etwas Geduld, einen Fokus auf deine Gesundheit und eine konsequente Umsetzung. Die Erfolge – ein besseres Körpergefühl und weniger Anstrengung im Alltag – werden dich schnell belohnen.