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Wenn Rheuma neu und die Verzweiflung groß ist, kennst du „Hit Hard & Early“?

Eine Rheuma-Diagnose kann das Leben plötzlich verändern. Um aus der Verzweiflung herauszukommen, ist es wichtig, deine Ängste ehrlich anzusehen und zu verstehen. Die Hilfe liegt in einer Vielfalt an Möglichkeiten, die du nach und nach erfährst: moderne Rheuma-Therapien, die dir zur Seite stehen. Hier erfährst du Schritt für Schritt, welche Kniffe es gibt.

Du bist nicht allein: Angst und Verzweiflung bei Rheuma

Die Diagnose „entzündliches Rheuma“ kann dich unerwartet treffen. Wenn Du jung bist und noch ein ganzes Leben vor Dir hast. Oder wenn du bereits mehr Lebenserfahrung hast und dich fragst: Ich habe doch bisher vieles richtig gemacht – warum jetzt?

Manchmal fühlen sich Menschen über die Diagnose sogar erleichtert: Vorahnungen, Schmerzen, Müdigkeit, Vergesslichkeit haben jetzt einen Namen. 

Es ist menschlich, dass dich diese Nachricht verzweifeln lässt. Hier sind einige Gründe, warum sich viele so fühlen:

  • Ungewissheit: Die Diagnose bringt viele Fragen mit sich: „Was bedeutet das für mein Leben?“ oder „Wie werde ich in der Zukunft damit umgehen?“ Diese Ungewissheit kann überwältigend sein.
  • Angst vor Schmerzen und Einschränkungen: Entzündliches Rheuma ist oft mit Schmerzen und Bewegungseinschränkungen verbunden. Die Vorstellung, damit leben zu müssen, macht Angst und lässt die Zukunft schwer planen.
  • Pflichttermine: Plötzlich musst du dir Arzt- und Therapeutenbesuche, Medikamentegaben oder mögliche Behördengänge in deinen Alltag planen. Alles Dinge, die von außen auf dich kommen. 
  • Isolation: Es kann das Gefühl entstehen, dass andere dein Leiden nicht verstehen: „Du siehst doch gut aus”. “Meine Oma hatte auch Rheuma”. “Für Rheuma bist du zu jung”. Das Gefühl, allein mit der Krankheit zu sein, kann die Verzweiflung verstärken. Während andere abends ausgehen, bist du zuhause auf dem Sofa. 
  • Verlust der Kontrolle: Eine Krankheit gibt dir das Gefühl, dass du nicht mehr komplett die Kontrolle über deinen Körper hast. Wie wird es bei der Arbeit? Mit deinen Hobbys? Deinen Lebensplänen? Auch diese Fragen tauchen auf und bringen das Gefühl mit sich, das der Boden unter den Füßen wegrutscht. 

Was hilft in solchen Phasen? 

  • Nicht zu weit in die Zukunft denken. Nur diesen einen Tag zu Ende leben – und das möglichst gut. 
  • Nicht planlos herumgoogeln. Sondern Informationen aus guten Quellen holen: Deutsche Rheumaliga (LINK: https://www.rheuma-liga.de) und ihre Partner-Organisationen geben dir moderne und verlässliche Informationen. Dort findest du Menschen in der gleichen Lebenssituation und die, die ein Stück des Weges bereits vor dir gegangen sind. 
  • Lese in diesem Blog unterschiedliche Beiträge, um gut Bescheid zu wissen. Verstehen, was wichtig ist. Profitiere aus meiner jahrzehntelangen Erfahrung in der Rheumatologie. Erfahre, was anderen Frauen geholfen hat. Was moderne Erkenntnisse zum Immunsystem und zur ganzheitlichen Rheuma-Behandlung sind. 
  • Meine Herzens Empfehlung für dich sind zwei besondere Bücher: “Rheuma ist behandelbar” und “Wie man aus Trümmern ein Schloss baut”. (bitte intern verlinken)
  • Mit Menschen Zeit verbringen, die dir Energie geben, anstatt sie zu rauben. 
  • Schreibe deine Meinung gerne unter dem aktuellen Instagram-Post auf @frauenrheuma. Schon mal an dieser Stelle: Über Instagram (und per E-Mail) gibt es von mir keine persönlichen Beratungen. Dafür sind eine individuelle ärztliche Befragung, eine körperliche Untersuchung und andere Methoden notwendig. 

Dein Werkzeugkasten bei Rheuma: Basistherapie, “hit hard and early”, “window of opportunity”, “treat to target”

Rheuma-Basistherapien haben nichts mit Chemotherapien zu tun! Die meisten unserer Medikamente wirken „immunmodulierend“ statt „immunsupprimierend“ – das bedeutet, sie zwingen dein Immunsystem NICHT in die Knie. Stattdessen helfen sie, überaktive Immunreaktionen wieder in Balance zu bringen. Wichtige Prinzipien der Therapie sind: ”hit hard and early”, “window of opportunity”, “treat to target”. Bist du schon gespannt, was das ist? Lese unten mehr!

Rheuma-Basistherapie

Kennst du das? Deine Rheumaärztin/dein Rheumaarzt hat dir nun Medikamente verordnet. Idealerweise hat sie, er oder eine Mitarbeiterin in der Praxis über die “Basistherapie” gesprochen. Eigentlich schätzt du sie/ihn. Ein gutes Bauchgefühl hast du beim Gedanken nicht, eine Art „Chemotherapie oder Zytostatika“ zu nehmen.

Mit diesen Zweifeln möchte ich aufräumen. Die Worte in den Anführungszeichen sind falsch!

Wütet das Entzündungsfeuer in deinem Körper, bekommt es ihm nicht gut. Eine hohe Aktivität deines entzündlichen Rheumas schädigt auf Dauer deine Gelenke und innere Organe. Nicht nur das: Sie macht Infekt anfällig, lässt deinen Körper schneller altern und zehrt an seinen Reserven. Hier liest du mehr, wie die Entzündung im Körper wirkt. 

Das heißt auf die Dauer: Muskeln und Knochen werden dünner. Die Blutarmut kann sich einstellen – das macht müde. Arterien (=Pulsadern) verkalken vorzeitig. Dies führt zu verfrühten Herzinfarkten und Schlaganfällen – und das Jahrzehnte früher, als dir es “dienstrangmäßig” zusteht. 

Das sind die Folgen, wenn die Entzündung nicht unter Kontrolle ist. Die Basistherapie arbeitet daran, das zu verhindern.

Unsere Basistherapien haben nichts mit Chemotherapien zu tun! Die meisten von ihnen nennen wir „immunmodulierend“ und nicht „immunsupprimierend“: Sie zwingen dein Immunsystem NICHT in die Knie. Sie bringen das Zuviel an Immunabwehr wieder herunter. 

Frage gerne deine Rheumaärztin/deinen Rheumaarzt. Gibt es in ihrer/seiner Praxis speziell ausgebildete Fachassistentinnen, RFA genannt? RFA = rheumatologische Fachassistentin. Sie kennt sich top aus und hat mehr Zeit für deine Fragen.

Eine gute Quelle sind Infoblätter der Rheumaliga. Weniger geeignet sind Beipackzettel. Sie listen alles auf, was geschehen ist oder geschehen könnte. Oft ist das so, dass eine Nicht-Medizinerin das Geschriebene nicht bewerten kann. 

Überlege es so: Bestimmt fährst du Auto, Bus oder Bahn. Rein theoretisch weißt du, dass dies ein tödliches Unterfangen sein kann. Trotzdem steigst du ein: Du weißt, dass die Wahrscheinlichkeit, an deinem Reiseziel gesund und munter anzukommen, hoch ist. Sehr klein dagegen ist das Risiko, dass etwas Unheilvolles passiert. 

So ähnlich ist es mit der Basistherapie. Ihre Einnahme wird überwacht. Wenn nötig, wird ein Medikament gestoppt und durch ein anderes ersetzt. Über die wichtigsten Kontrollen liest du hier: Rheuma und Entzündungswerte und im “Labor 1×1” – hier kannst du diese PDF-Datei kostenlos herunterladen

Noch eine Sache. Basistherapie sind Mittel, die das Entzündungsfeuer auf lange Sicht löschen. Rheuma-Schmerzmittel und Kortison zählen nicht dazu!

“Hit Hard and Early”

Kennst du diesen Satz? „Hit hard and early“ heißt „schlage stark und früh zu“. Er bedeutet in der Rheuma-Therapie: Möglichst früh und mit voller Kraft der Medikamente draufschlagen. Anders gesagt: Nicht kleckern, sondern klotzen – und das möglichst früh. Vielleicht erscheint dir dieser Satz zu hart? Diese Strategie bringt dir die Chance, das Entzündungsfeuer schnell zu löschen. So kann das Immunsystem von seinem falschen Weg umkehren. Du hast eine bessere Aussicht, Medikamente herunterzufahren oder auszuschleichen.

Welche Medikamente sind hier gemeint? Basistherapien, über die du ein Kapitel zuvor nachlesen kannst. Mittel, die das Entzündungsfeuer auf lange Sicht unterdrücken. Das sind keine Rheuma-Schmerzmittel und kein Kortison.

“Window of Opportunity”

Gut zu wissen: Hier steht wieder ein englischer Begriff. Was soll er bei entzündlichem Rheuma bedeuten? Was ist das für ein Fenster und zu welchem Raum soll es führen? Der Begriff „window of opportunity” spiegelt die Ergebnisse der Forschung über unser Immunsystem wider.

Ist entzündliches Rheuma neu in deinem Leben, ist dieser Begriff für dich sehr wichtig. Wissenschaftler fanden heraus: Zu Beginn einer Rheumaerkrankung ist es leichter, das Immunsystem zurück auf den richtigen Weg zu bringen. Damit es nicht gegen die eigenen Organe oder Gelenke arbeitet.

Du kannst mich zurecht fragen: Was bedeutet „zu Beginn“ einer Rheumaerkrankung?

Hier gibt es unterschiedliche Meinungen. Auf jeden Fall ist es günstig, in den ersten SECHS MONATEN richtig Gas zu geben, um die Entzündungsflamme zu löschen. Manche Wissenschaftler sprechen von 2 Jahren.

Zum Glück sind sich alle über eine weitere Strategie einig. Sie heißt: „Hit hard and early“ – ein Kapitel vorne liest du darüber nach.

Schon wieder Englisch? Ja, weil Englisch unsere Medizinersprache ist, um die Neuigkeiten in der Rheumatologie auszutauschen.

„Hit hard and early“ bedeutet: Behandle möglichst früh und möglichst mit ordentlich wirksamen Medikamenten. Ist die Entzündung am Anfang ordentlich eingedämmt, sind die Chancen größer, Medikamente stufenweise weniger zu geben.

“Treat to Target”

„Window of opportunity” und „Hit hard and early“ spielen beim Beginn der Behandlung eine wichtige Rolle. Wenn du jetzt denkst: “Toll, dann ist bei mir der Zug längst abgefahren”, gibt es auch für dich ein gutes Werkzeug. 

“Treat to target” ist die Strategie, die immer zieht: Behandle auf ein Ziel hin! 

Das bedeutet, dass Medikamente und alle anderen anti-entzündlichen Taktiken auf eine Sache hinaus zielen: Auf den Zustand von null Entzündung. Diesen Zustand nennen wir “Remission”. Sehr wichtig –  bitte merken. 

Regelmäßig überprüft deine Rheumaärztin oder dein Rheumaarzt, ob die Remission erreicht ist. Wenn nicht: Medikamente werden kombiniert, höher dosiert oder auf ein stärkeres Mittel gewechselt. 

Deine eigene Initiative ist auch gefragt: Zu lernen, was für dich die Remission bedeutet. Das solltest du mit deinem Rheumadoc besprechen: Was sollte im Labor zu sehen sein? Ist eine Schmerzfreiheit realistisch oder gibt es Ursachen dafür, die mit der akuten Entzündung nichts zu tun haben, zum Beispiel weil Gelenke von früheren Entzündungen geschädigt sind? 

Auch zu deiner Selbstverantwortung gehören: Nicht rauchen, ausreichend und passend bewegen, gesunde Ernährung. Dich um deinen inneren Frieden zu kümmern gehört auch dazu. Aus meiner Sicht ist es wichtiger als die Ernährung bei Rheuma (vorausgesetzt, du hast Fastfood und alle Softdrinks hinter dir gelassen). Ob die fehlende Work-Life-Balance, Termindruck, Perfektionismus, alte seelischen Baustellen bearbeiten – es ist sehr individuell und meistens eine Lebensaufgabe. Hilfreich sind hier gute Freundinnen, Aufenthalte in der Natur, gute Hobbys, die dich die Zeit vergessen lassen. 

Eine gute Morgenroutine ist bei Rheuma noch wichtiger als bei Menschen ohne diese Krankheit. Versuche noch im Bett gute Gedanken für den Tag zu fassen. Dann als allererstes nach dem Aufstehen die Zähne zu putzen und sofort danach ein paar leichte Bewegungen, die deine Physiologie auf Touren bringen. Erst dann widmest du dich anderen Dingen zu. Es wirkt Wunder. 

Info für Profis: In der Rheumatologie wollen wir eine kortison-freie Remission erreichen. Keine Medikamenten-freie. Ist die Entzündung ein ganzes Jahr absolut ruhig – also die Remission dauert ein Jahr lang an –  kann versucht werden, Medikamente stufenweise herunterzufahren. Bitte nur in Absprache mit deinem Rheumadoc. Niemals auf eigene Faust. Sonst ist es so, als ob du deinen Fuß vom Bremspedal nimmst – und was macht dann der “Rheumabus”? Er rast mit alter Kraft nach vorne! Das braucht kein Mensch – am wenigsten du!

Vertraue dem Prozess der Rheuma-Behandlung

Hast du das schon mal gehört? „Krankheit annehmen, weitermachen und Ziele setzen. Das sagen die meisten Menschen, die das Rheuma länger haben.

Hast du die Rheuma-Diagnose noch nicht lange, kommen dir solche Sätze wahrscheinlich seltsam vor. Diese Menschen haben keine Ahnung, wie es dir geht. Oder du hast das Gefühl, das Leben mit der Diagnose (noch) nicht annehmen zu können. Womöglich willst du schon gar nicht, dass Medikamente dein neues “Normal” ist. 

Auch wenn wir alle einzigartige und besondere Individuen sind – davon bin ich überzeugt! – funktioniert unser inneres Leben, unsere Psyche, nach den gleichen Regeln. So wie das Herz beim schnellen Laufen höher schlägt. Oder die Verdauung flotter geht, wenn du zum Beispiel zu viel blähendes Gemüse gegessen hast. Diese Regeln gelten für fast alles im Leben: Krankheit, Verlust eines Arbeitsplatzes oder eines lieben Menschen, Trennung, Umzug in eine neue Stadt. Die Liste kannst du beliebig fortsetzen. 

Dich mit der Diagnose zu befassen, Schritte zu kennen, wie die Entzündung zur Ruhe kommt, ist eine wichtige Sache. Das Ganze zu akzeptieren, in dein Leben einzubauen, ist eine ganz andere. Meist eröffnet sich erst dann eine Perspektive, wie es weitergeht: mit deinen Lebensplänen, Freizeit, Arbeit, Familie. 

Die Akzeptanz funktioniert nicht auf Knopfdruck wie ein Lichtschalter. Sie ist ein Prozess, bei dem du manchmal Umwege gehst. Oder einen Schritt vor- und zwei zurücklegst. Nach der neuen Diagnose – einer anderen negativen Veränderung aus der oberen Liste – fühlt es sich zunächst an, als ob du in ein schwarzes Lcoh fällst. Du weißt nicht, wann du auf dem Boden aufschlägst. Bist du einmal auf dem Boden angekommen, kommst du wieder etwas hoch. Wie ein Flummiball schlägst du wieder auf den Boden zurück. Um dann zu merken: Die Aufschläge werden kleiner. Es geht in kleinen Schritten aus dem schwarzen Loch wieder heraus.  

Wenn du auf dem Boden des schwarzen Loches liegst, braucht es nicht viel Kraft. Es braucht diesen einen Entschluss von dir: Den Unwillen zu leiden! Aus diesem Unwillen holst du dir das Mitgefühl und die Kraft, kleine Schritte nach vorne zu gehen.

Meine Herzens Empfehlung für dich sind zwei besondere Bücher: “Rheuma ist behandelbar” und “Wie man aus Trümmern ein Schloss baut”

Es gibt einen Weg aus der Verzweiflung bei Rheuma

Eine Rheuma-Diagnose kann jeden Menschen unerwartet treffen. Um aus der Verzweiflung herauszukommen, darfst du die Ängste anschauen und sie verstehen. Einen Werkzeugkasten an nützlichen Hilfen findest du oben: moderne Rheuma-Behandlung, wie sie ganzheitlich funktioniert. Über den Weg der Akzeptanz und den Unwillen zu leiden kannst dich du zu einem guten Leben finden: Schritt für Schritt.