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Entzündliches Rheuma, was hilft: Rheuma früh behandeln

Die Wissenschaft fand heraus: Zu Beginn einer Rheumaerkrankung ist es leichter, das Immunsystem zurück auf den richtigen Weg zu bringen. Du kannst mich zurecht fragen: Was bedeutet „Rheuma früh behandeln“? Das findest du beim Lesen dieses Artikels heraus. Wichtig ist, dass du von Anfang weißt, welche Strategien sich bewährt haben – und welche in den Bereich der Mythen gehören. Von Beginn an das Richtige zu tun, um deine Gelenke, deine inneren Organe und damit deine gesamte körperliche und emotionale Gesundheit zu schützen. 

Was bedeutet “Rheuma früh behandeln” und welche Erkrankungen gibt es?

Hier gibt es unterschiedliche Meinungen. Auf jeden Fall ist es günstig, in den ersten 6 Monaten(!) richtig Gas zu geben, um die Entzündungsflamme zu löschen. Ist die Entzündung ordentlich eingedämmt, sind die Chancen größer, Medikamente stufenweise herunterzufahren. Zu Beginn einer Rheumaerkrankung ist es leichter, das Immunsystem zurück auf den richtigen Weg zu bringen. Damit es nicht gegen die eigenen Organe oder Gelenke arbeitet, sich also nicht gegen sich selbst richtet. Diesen Kampf gegen die eigenen Körperstrukturen nennt man “Autoimmunerkrankungen”. Die häufigste Autoimmunerkrankung kommt übrigens nicht aus dem Rheumakreis: Es ist die Entzündung der Schilddrüse, “Hashimoto-Thyreoiditis” genannt. 

Bei manchen Menschen kommen die Beschwerden über Nacht. Bei den meisten ist es jedoch anders. Viele spüren bereits Monate – bis zu 1,5 Jahren(!) – zuvor, dass im Allgemeinen etwas nicht stimmt: schneller müde, mal Gelenkschmerzen, mal das Gefühl von Muskelkater am ganzen Körper oder sind häufiger erkältet. Irgendwann kommen Gelenkschwellungen, Atemschwierigkeiten, Blau-Anlaufen der Finger, Wassereinlagerungen, Fieber oder andere Dinge dazu – je nach Art der Rheuma-Krankheit.  “Das Rheuma bereitet seinen Auftritt sorgfältig vor“, hat ein Wissenschaftler gesagt. Hier arbeitet die Forschung mit Nachdruck daran, bereits vor dem Ausbruch(!) der Krankheit den falsch eingeschlagenen Weg im Immunsystem zu stoppen.  Hier liegt der Haken. Wer von uns fühlt sich mal nicht müde und abgeschlagen, mit einem Schweregefühl oder Schmerzen? Das Leben stellt uns manchmal gleichzeitig viele Aufgaben. Manchmal sind wir selbst so begeistert von vielen Projekten, dass zu viele Bälle in der Luft sind (so geht es mir und das gar nicht selten). Würde die Krankheit in dieser Phase – also noch vor dem Ausbruch der eigentlichen Symptome – gestoppt, könnten wir hier von einer „Heilung“ sprechen. “Symptome” sind Zeichen einer Krankheit, die eine bestimmte Art von Rheuma ausmachen.  Dazu zählen zum Beispiel Gelenkerkrankungen wie rheumatoide Arthritis, Psoriasisarthritis (Schuppenflechten-Rheuma) oder die reaktive Arthritis nach einem Infekt. 

Eine andere Gruppe sind entzündliche Wirbelsäulen-Erkrankungen = “axiale Spondyloarthritis“ genannt. Früher nannte man das fortgeschrittene Stadium davon “Morbus Bechterew“. Dieses Stadium wollen und können wir heute verhindern! An der ähnlichen Stelle des fehlgeleiteten Immunsystems kommt es bei Entzündungen des Auges (=Regenbogenhaut) oder des Darms (bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa).

Eine weitere Gruppe sind Kollagenosen. Hier ist meist das Bindegewebe innerer Organe wie Nieren, Lunge oder Speicheldrüsen betroffen. Teils auch das Gewebe, die Körpergrenzhöhlen auskleiden wie das Rippenfell, das Bauchfell oder der Herzbeutel. Hierzu zählen Lupus erythematodes, Sjögren-Syndrom oder Muskelentzündungen. Manchmal überlappen sich die Krankheitszeichen dieser Rheumaarten untereinander. Das macht sie einzigartig bei einer einzelnen Person. So dauert es länger, bis die Diagnose gestellt ist und der Mensch endlich zu einem RheumaDoc kommt. Es gibt auch Infekte oder Tumoren, die ähnliche Begleiterscheinungen zeigen. Es gibt auch Infekte oder Tumoren, die ähnliche Begleiterscheinungen zeigen. Daher ist das manchmal eine Detektivarbeit für Profis. 

Dann gibt es eine Gruppe der Entzündung in großen, mittleren oder kleinen Blutadern, “Vaskulitiden” genannt. Davon gibt es einige Rheumaarten mit sehr unterschiedlichen Krankheitszeichen. In den großen Blutadern zeigen sich: Polymyalgia rheumatica (bei Menschen ab 50); von Älter nach Jung aufgezählt: Riesenzellarteriitis, Takayasu- oder Kawasaki-Arteriitis. Die mittleren Blutadern sind bei der Polyarteriitis nodosa betroffen (früher Panarteriitis nodosa genannt). In den kleinen Blutadern gibt es die Entzündung bei den Krankheiten mit Abkürzungen: GPA (Granulomatose mit Polyangiitis), eGPA (eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis), MPA (mikroskopische Polyangiitis). Alle Größen der Blutadern kann der Morbus Behcet betreffen. 

Es gibt auch angeborene Rheuma-Erkrankungen, auch “autoinflammatorisch” genannt. Diese sind sehr selten und kommen nicht bei jedem Familienmitglied vor. Manchmal werden erst mit der Diagnose eines Kindes die Puzzleteile an Beschwerden seiner älteren Verwandten erklärt.  Etwas häufiger kommen Rheumaarten vor, bei denen das angeborene Immunsystem mit einem Mal einen fehlgeleiteten Weg einschlägt und zu Entzündungen der Gelenke führt: Morbus Still gehört dazu, auch die Gicht (eigentlich eine Stoffwechselerkrankung).

Du siehst: Es gibt viele Rheuma-Erkrankungen und du musst sie nicht alle kennen! Die Liste oben ist lange unvollständig. 

! Wichtig ist, dass du dich mit deiner Erkrankung gut auskennst: Wie heißt sie genau? Sind Rheuma-Marker im Blut zu sehen? Wie heißen deine Medikamente? Was ist für die Kontrollen wichtig? Wie erkennst du, dass das oberste Ziel der Behandlung erreicht ist: die Remission (=null Entzündung)? Wie die schlechten Phasen, auch “Rheumaschub” genannt: welche Medikamente darfst du zusätzlich nehmen und was kannst du dir selbst Gutes tun? Es ist wie eine Ausbildung, bis du alle Antworten auf diese Fragen genau weißt. Mit deinem RheumaDoc, verlässlichen Informationsquellen aus diesem Blog oder der Rheumaliga.

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Wie wird Rheuma behandelt – Welche Strategien funktionieren wirklich?

Eine moderne Behandlung bei entzündlichem Rheuma ist ganzheitlich. Neben einer ausgewogenen Ernährung, regelmäßiger Bewegung und dem Kümmern um deine emotionale Gesundheit spielen Basis-Medikamente eine Rolle. Diese Medikamente helfen, das überaktive Immunsystem wieder zu beruhigen. Es ist wichtig, dass Du verstehst, welche Art von Rheuma du hast und welche Behandlung die richtige ist. Rheuma-Medikamente sind nicht deine Feinde – der wahre Feind ist die unkontrollierte Entzündung, die dein Rheuma verursacht. Basistherapien helfen, langfristige Schäden abzuwenden und dich zu schützen.

Über dein Werkzeugkasten bei Rheuma liest du im Beitrag: Basistherapie, “hit hard and early”, “window of opportunity”, “treat to target”

Basistherapien sind Medikamente, die langfristig die Rheuma-Entzündung unterdrücken. Sie haben nichts mit Chemotherapien zu tun! Die meisten unserer Medikamente wirken „immunmodulierend“ statt „immunsupprimierend“ – das bedeutet, sie zwingen dein Immunsystem NICHT in die Knie. Stattdessen helfen sie, überaktive Immunreaktionen wieder zum Gleichgewicht zu bringen. 

Erkennst du dich vielleicht wieder? Das hat mir eine Leserin geschrieben:

“Ich habe seit Beginn meiner Therapie oft gekämpft, möglichst ohne Medikamente klarzukommen. Ich habe allerlei alternative Methoden ausprobiert: Sie waren nicht immer förderlich, leider auch nicht das erwünschte Ziel erreicht. Bis ich nicht mehr gehen, liegen oder schlafen konnte. Ich musste wohl an den Punkt gelangen, wo ich ein Biologikum annehmen konnte. Ich war dankbar, dass es ein Medikament gibt, das mir so schnell auf die Beine geholfen hat. Trotzdem: Jedes Mal, wenn ich mich spritzen muss, habe ich das bisher mit einer „Versager-Stimmung“ oder innerer Abwehr getan. Danke für die ausführliche Erklärung: Das musste ich nochmal hören. Anna, deine sachlichen Beiträge sind da sehr oft sehr hilfreich”.

Was der Weg dieser netten und sympathischen Frau zeigt? Es ist menschlich, zunächst nach medikamenten-freien Alternativen zu suchen. Bloß keine fremden Substanzen in den Körper zu lassen. Der Prozess der Akzeptanz der Situation und das Erkennen einer Lösung braucht Zeit. Ich wünsche dir von Herzen, dass du eine Abkürzung kennst, damit du “wieder auf die Beine kommst”, wie die Frau das beschreibt. Das Biologikum, dass sie erwähnt, gehört zu den Basismedikamenten, um die es im nächsten Kapitel geht.

Die Sache ist folgende. Steht die Diagnose fest, wollen wir möglichst früh und mit voller Kraft die Entzündung unterdrücken. Ein Beginn im frühen Zeitfenster ist wertvoll: Bevor die Erkrankung im Körper oder an den Gelenken dauerhafte Schäden verursacht. Dir die Muskeln abbaut und seelisch erschöpft. Wir stochern nicht im Nebel, sondern haben ein klares Ziel vor Augen: Die Entzündung muss auf Null herunter! Diesen Zustand nennen wir “Remission”. Wie du sie erkennst? Dazu findest du Details aus dem Abschnitt “Dein Werkzeugkasten bei Rheuma

Was gehört in den Bereich der Mythen

Du bist hier in diesem Blog unterwegs und das finde ich toll! Du bist dabei, dir das Wissen der modernen Forschung einzuverleiben. Du wirst dabei eine richtige Gesundheitsexpertin – nicht nur für dich. Auch für deine Familie, für deinen Freundes- und Kollegenkreis.

Was du nicht brauchst, sind Ratschläge von Menschen, die es gut meinen – aber leider hier keine Ahnung haben. 

Hier kommen ein paar gänge Kommentare aus dem Erlebten meiner Leserinnen und Patientinnen:

“Es kommt alles von der Ernährung. Hast du sie schon umgestellt? Probiere es mit XY”.

“Rheuma hatte meine Oma auch. Du bist dafür zu jung”.

“Medikamente brauchst du erst, wenn es nicht mehr auszuhalten ist. Zunächst mit Weihrauch und Kurkuma versuchen”.

“Eine Medikamentenpause ist gut für den Körper”.

“Erst lieber mit Alternativen versuchen, bevor du Medikamente nimmst”.

“Medikamente behandeln nur Symptome, nicht die Ursache”. 

“Sind im Blut keine Rheumawerte zu sehen, ist es auch kein Rheuma” (dies ist auch leider unter Ärzteschaft anzutreffen).

“Bei Rheuma musst du dich ab jetzt immer körperlich schonen”

“Wieso nimmst du nicht einfach hochdosiert Vitamin D?”

“Rheuma wird vererbt, daher solltest du lieber auf Kinder verzichten”

“Jetzt bist du verheiratet und willst doch Kinder haben. Also wann setzt du deine Rheuma-Medikamente ab?” 

“Stillen macht Rheuma”

“Alle Medikamente sind fürs Baby gefährlich, daher vor der Schwangerschaft lieber absetzen”.

“Biologika sind natürlich und daher besser als chemische Medikamente”.

Ich will an dieser Stelle die Sätze nicht entkräften. Das tue ich mit jedem einzelnen Beitrag in diesem Blog. Lese sie. Sei clever. Lasse dir dein Schicksal durch die verzögerte und zu späte Behandlung nicht schwerer machen, als die moderne Medizin das ermöglicht! Jede Woche sehe ich Patient:innen, die es lange mit Alternativen versuchten – und wo wir die Schäden nicht rückgängig machen können. Oder Menschen, die aus Angst vor Nebenwirkungen die Medikamente weglassen. Oder im Gesundheitssystem nicht an einen RheumaDoc dran kommen. Hier möchte ich dich motivieren: Suche deinen Weg. Kümmere um dich selbst – sonst macht es keiner!

Welche Rheuma-Medikamente gibt es – und warum dieses Kapitel (zum Glück!) nie fertig wird

Drei Gruppen der Medikamente solltest du in der modernen Rheuma-Behandlung kennen: 1. Unser Feuerlöscher Kortison. 2. Rheuma-Schmerzmittel. 3. Basistherapien. 

Unser Feuerlöscher Kortison 

Kortison ist von allen Medikamenten das schnellste in seiner Wirkung gegen Entzündungen. Kortison an sich ist kein Fremdstoff und gehört zur Gruppe der Steroide: Unser Körper produziert 40-60 mg pro Tag davon selbst. Daher bleiben kurze Zeiten der Einnahme meist ohne Folgen, selbst bei hohen Dosen. Damit du das Gefühl bekommst, welche Mengen in der Medizin benutzt werden: Bei einem Schub der MS (multiple Sklerose) geben Nervenärzt:innen 1000 mg für 5 Tage, dann wird die Gabe beendet. Du hast richtig gelesen: eintausend Milligramm für 5 Tage, dann weg. Bei hohen Dosen – zum Beispiel ins Herzbeutel durch Herzspezialist:innen gegeben – kann es kurzfristig zu einer Gesichtsröte, hohem Blutdruck und -zucker oder einem Ausbleiben der Regelblutung kommen. Kortison ist ein Steroid-Hormon. Es hat an nahezu allen Körperzellen seine Andockstellen. Seine Wirkung – nämlich die Entzündung zu unterdrücken – wollen wir haben. Seine Nebenwirkungen dagegen nicht. Diese kommen zum Vorschein, wenn die Einnahme über zu lange Zeit geht, selbst bei kleinen Dosierungen. 

Bei entzündlichem Rheuma sind Entzündungen oft stark. So reicht das eigene Kortison des Körpers nicht aus. Kortison hilft schnell, dass Schmerzen, Schwellungen und Unbeweglichkeit besser werden. Ganz wichtig, dass du weißt: So kurz wie möglich und so niedrig wie möglich, um die Entzündung im Körper einzudämmen. Möglichst schnell wollen wir einen Kortison-Einsparer finden, nämlich eine passende Basistherapie (dazu gleich unten mehr). In den modernen Leitlinien, zum Beispiel zur “Therapie der rheumatoiden Arthritis“, wird als Ziel gesetzt, nach 6 Monaten kortisonfrei zu werden. Natürlich variiert es stark nach der Art der Erkrankung. 

Ich würde sagen, das Kortison ist das einzige Medikament, bei dem ich alle Nebenwirkungen aus dem Beipackzettel bei meinen Patient:innen gesehen habe. Bei anderen Medikamenten ist der Beipackzettel eine Ansammlung an theoretischen und seltenen Ereignissen. Menschen mit zu hoher und zu langer Kortison-Einnahme sieht man diese oft schon bei weitem an. Das Kortison – trotz seiner gewollten Wirkung, Entzündung schnell zu löschen, hat die unschöne Eigenschaft, bei langer Einnahme die Muskeln abzubauen: Die Arme und Beine werden dünn. Zudem wird das Fett am Körper umverteilt: mehr zum Bauch und in den Nacken. Andere unselige Nebenwirkungen sind: Infekt-Anfälligkeit, Gewichtszunahme (Menschen haben ständig Hunger und werden zu guten Futterverwertern), hoher Blutzucker und Blutdruck, dünne Haut, grauer und grüner Star, Geschwüre im Magen. Die Wände der  Blutadern werden dünn und bei kleinen Rempeln entstehen an der Haut blaue Flecken. Der Knochenschwund, Osteoporose genannt, führt zu Brüchen, vor allem der Wirbelkörper und gerne bei Frauen jenseits der Wechseljahre. Manche Menschen können nicht schlafen. Manche reagieren mit Depressionen. 

Gegen Heißhunger hilft eine gesunde Ernährung, allen voran das konsequente Meiden von Zucker – auch in Getränken – und Weißmehl. Die Abendmahlzeit spätestens um 18 Uhr und mit Genuss essen. Danach leichte Bewegung wie Spazieren hilft es, kein Zusatzgewicht zu zulegen. Wenn Spazieren nicht geht – was geht dann? Suche nach der Art der Bewegung, die dein Stoffwechsel in die richtige Richtung lenkt.

Wird viel Kortison gebraucht, zeigt es uns, dass die Basistherapie noch nicht gut genug ist. Wir sind noch nicht am Ziel der Remission ( = Zustand von Null Entzündung) angekommen.  Auch hat Kortison eine allgemein stimulierende Wirkung, die mit einem Doping vergleichbar ist.  Die Menschen fühlen sich mit einem Mal stark, energiegeladen und nicht mehr müde. Das darf dich bitte nicht dazu verleiten, das Kortison für diesen Zweck zu nehmen. Auch das erlebe ich in der Sprechstunde gelegentlich – mit allen unangenehmen Folgen. 

Jetzt liest du etwas, was in keiner Leitlinie steht und wahrscheinlich meinen Kolleg:innen nicht schmecken wird. Sind wir mit den letzten Milligramm dabei, das Kortison auszuschleichen, ist das oft in der warmen Jahreszeit einfacher. Wie eine Patientin mit der rheumatoiden Arthritis sagte: “Im Winter brauche ich meine 2 mg, im Sommer nicht”. Auch die Initiative der Gesellschaft für Innere Medizin “Klug entscheiden” formuliert es sinngemäß: Bei langem Krankheitsverlauf einer Rheuma-Erkrankung wird eine möglichst niedrige Dosis von Kortison angestrebt. Ein vollständiges Absetzen gelingt nicht immer. 

Rheuma-Schmerzmittel

Bei fast allen Arten des entzündlichen Rheumas verspüren Menschen Schmerzen: An Gelenken, Muskeln oder Muskelansätzen. Rheuma-Schmerzmittel werden zum Erleichtern von Schmerzen eingenommen. Eine häufige Gruppe davon sind die NSAR = „nicht-steroidale Antirheumatika“. Sie gehören nicht zu den Steroiden, wie Kortison, wirken also anders. NSAR sind teilweise frei verkäuflich. Wenn du sie dir selbst kaufst, wäre wichtig zu wissen – oder die Apothekerin zu fragen:

Wie ist die Tageshöchstdosis? 

Womit solltest du es nicht kombinieren? Meistens nicht mit einem zweiten NSAR zusammen.

Zu den Mahlzeiten nehmen, um Magen zu schonen.

Auf den Blutdruck achten (er kann höher werden) 

Bei Allergien gegen ein Präparat, dieses nicht nehmen und auf ein anderes ausweichen.

Leber- und Nierenwerte sollten gelegentlich kontrolliert werden (sie können ansteigen)

Häufige NSAR sind zum Beispiel: Ibuprofen, Diclofenac, Naproxen. Neuere Mittel sind sogenannte Coxibe: Celecoxib und Etoricoxib. Sie sind vom Magen und Darm besser verträglich, kosten mehr und sind verschreibungspflichtig. Paracetamol und Novalgin sind weitere Vertreter aus anderen Wirkgruppen, die meist sehr gut vertragen werden, aber auf Gelenkschmerzen unzureichend wirken. Ein Versuch ist es wert. 

Rheuma-Schmerzmittel werden zum Erleichtern von Schmerzen eingenommen. Auch wenn auf der Packung steht: “entzündungshemmend” sind damit nicht Entzündungen gemeint. Sondern eher die wie verstauchter Knöchel oder aktivierte Arthrosen, bei denen Knochen aneinander reiben.  Die einzige Ausnahme: Gegen die rheumatische Entzündung wirken sie NUR bei der axialen Spondyloarthritis (=AxSpA). Bei allen anderen Rheuma-Krankheiten lindern sie den Schmerz und gehören nicht zu den Basistherapien, unterdrücken also nicht langfristig die Entzündung. Bei diesem Rheuma sind die Wirbelsäule und ihre kleinen Gelenke entzündet. Oft sind die Kreuzdarmgelenke betroffen. In der Fachsprache nennen wir sie SIG = Sakroliakalgelenke (Die früheren Bezeichnungen – ISG oder sogar ISG-Fugen – sind nicht mehr zeitgemäß).

NSAR schützen bei AxSpA vor Verknöcherungen der Wirbelsäule. Mit deiner/deinem Rheumaärztin/Rheumaarzt solltest du klären, ob NSAR für dich persönlich ausreichen. Wenn nicht, kommen Biologika als nächste Stufe dazu.

Schmerzmittel und dein Zyklus

Das Grundsätzliche vorweg. Hast du viele Beschwerden und brauchst viele Schmerzmittel – wie hoch lodert das Entzündungsfeuer deines Rheumas? An dieser Schraube müsst ihr – dein/e Rheumaarzt/-ärztin und du – unbedingt drehen, bevor du auf Dauer nur mit Schmerzmitteln arbeitest.

Eine hohe Entzündung unterdrückt den weiblichen Monatszyklus. Deswegen bleibt die Regel manchmal aus, insbesondere wenn viel Kortison zum Einsatz kommt.

Das Ganze ist in eine Rückkopplungsschleife in unserem Hormonhaushalt eingebunden. So eine Rückkopplungsschleife kennst du aus der Klimaanlage im Auto. Ist die Temperatur für warm oder kalt erreicht, so schaltet sich der Temperaturregler aus.

Die Rückkopplungsschleife für Hormone wird vom Zwischenhirn – also unbewusst – gesteuert. Stress spielt auch mit hinein.

Rheumaschmerzmittel unterdrücken den Eisprung. Daher empfiehlt es sich, diese Medikamente 3 Tage um deinen Eisprung herum zu pausieren, wenn du dir ein Baby wünschst.

Wann ist die Zeit des Eisprungs?

Dazu gibt es Apps, digitale Zykluskalender, Tests zur Hormonbestimmung. Sprich mit deiner Frauenärztin.. Auch kannst du dir die natürliche Verhütung anschauen: Da lernst du über das Beobachten deines Körpers, wann der Zeitpunkt ist.

Falls du eine bekennende Minimalistin der Medikamente bist: Denke bitte daran, dass das Ziel nicht bei null Medikamenten liegt, sondern bei null Entzündung. Ist die Entzündung außer Kontrolle, bringt sie viele ungünstige Folgen mit sich. Lese dazu mehr in “Rheuma erleichtern -Was macht die Entzündung im Körper

Rheuma-Basistherapie

Basistherapie sind Medikamente, die langfristig deine Rheuma-Entzündung unterdrücken. Rheuma-Schmerzmittel (NSAR) und Kortison zählen nicht dazu.

Basistherapien sollen konsequent und dauerhaft eingenommen werden. Sie sind ein echter Kortison-Ersatz.

Es gibt verschiedene Gruppen der Basistherapien:

  • konventionelle (konventionell hergestellte) Basistherapie, auch synthetisch genannt 
  • biologische (biologisch hergestellte) Basistherapie. Hier unterscheiden wir Originalpräparate und Biosimilar
  • kleine Moleküle, auch zielgerichtete synthetische Basistherapie genannt. 

Da wir in der Rheumatologie intentional arbeiten, werden dafür auch im täglichen Arbeiten englische Begriffe benutzt. Basistherapien nennen wir DMARD = Disease modifying antirheumatic drugs. Für Expertinnen unter euch bedeuten die drei Gruppen oben in der Fachsprache:

  • traditionelle Basistherapie = conventional synthetic DMARDs oder csDMARD
  • biologische Basistherapie = biologische DMARDs oder bDMARD
  • kleine Moleküle = targeted synthetic DMARD (ts-DMARDs)

Biologika sind große Eiweißmoleküle, die es nur als Spritzen gibt. Sonst würden sie im Magen verdaut werden. Kleine Moleküle-Therapien gibt es als Tabletten. 

Fragst du dich manchmal, ob du wirklich Medikamente brauchst? Vielleicht geht es auch ohne? Verfolgst du gute Strategien, um die Rheuma-Entzündung zu unterdrücken? Du rauchst nicht, achtest auf deine Ernährung, bewegst dich und tankst deine inneren Akkus auf.

Steht bei dir die Diagnose eines entzündlichen Rheumas fest, gehört sie zu chronischen Krankheiten. Ähnlich wie bei Asthma oder Diabetes müssen Betroffene lange – manchmal sehr lange – Medikamente nehmen.

Die Frage ist: Was ist die Alternative?

Das Entzündungsfeuer in deinem Körper ist eine große Gefahr. Unterm Strich ist sie eine viel größere Gefahr für dein Leib und Leben als Medikamente. Definitiv lebst du länger, wenn du Basistherapien nimmst. Dazu gibt es viele Studien, besonders für Biologika, Methotrexat (=MTX) und Hydroxychloroquin (ein sog. Antimalaria-Mittel, zum Beispiel Quensyl).

Im Gegensatz zu sich hartnäckig haltenden Gerüchten lagern sich Rheumamittel im Körper nicht ab. Die meisten werden in der Leber abgebaut. Von da verlassen sie mit der Galle oder über die Niere den Körper. Daher merkst du nach dem Absetzten meist nach wenigen Wochen, wie die Entzündung zurückkehrt.

Planst du ein Baby, berät dich deine Rheumaärztin/dein Rheumaarzt, wie du umsteigst: Von einem Mittel, das sich mit der Schwangerschaft nicht verträgt, auf ein akzeptables und sicheres.

Wie wirkt die Basistherapie?

Hast du dich schon mal gefragt: Was macht die Basistherapie auf lange Sicht mit deinem Körper? Schadet sie? Basistherapie sind Medikamente gegen das entzündliche Rheuma. Sie werden für eine lange Zeit gegeben, weil die Krankheit chronisch verläuft. Das heißt lang andauernd.

Heute möchte ich deinen Fokus auf die positive Langzeit-Wirkung der Basistherapie bringen.

Schritt Nummer 1: Was macht das Rheuma mit deinem Körper, wenn die Entzündung lange nicht im Griff ist?

–          Müdigkeit und fehlenden Antrieb. Das nennt wir „sickness behaviour“

–          Schlafstörungen

–          schlechten Appetit, Mangelernährung

–          Knochen- und Muskelabbau

–          Speichern vom Fettgewebe

–          gestörten Zucker-Stoffwechsel, der zur Zuckerkrankheit Diabetes führt

–          hohe Blutfette

–          gestörte Hormon-Achsen

–          erhöhte Stressbereitschaft

–          geringere Wirkung vom Vagus, also dem beruhigenden Nervensystem

–          hohen Blutdruck

–          Blutarmut

–          Morgensteifigkeit

Schritt Nummer 2: Die Basistherapie greift in diese ungünstigen Abläufe ein. Sie verhindert so auf die Dauer die Folge-Krankheiten, die aus der Liste oben entstehen. Diese Folgen entscheiden darüber, wie lange und wie gut du lebst.

Hast du immer noch ein ungutes Bauchgefühl beim Gedanken, eine Art „Chemotherapie oder Zytostatika“ zu nehmen? Mit diesen Zweifeln möchte ich aufräumen. Die Worte in den Einführungszeichen sind falsch! Was richtig ist, dass einige Medikamente ihren Ursprung in der Krebstherapie haben. Der große Unterschied ist die Dosis. So benutzen wir das Medikament Methotrexat in der Dosis 5-30 mg (Milligramm!) pro Woche. In der Krebstherapie gibt man bis zu 30 g (Gramm!). Merkst du den Unterschied? Die geringe Dosierung hat ein anderes Wirkprinzip. Sie unterdrückt nicht die Zellen selbst, sondern ihre Kommunikation in der Entzündungsspirale.

Wütet das Entzündungsfeuer in deinem Körper, bekommt es ihm nicht gut. Eine hohe Aktivität deines entzündlichen Rheumas macht all das, was du oben im “Schritt Nummer 1” liest.

Unsere Rheuma-Basistherapien haben nichts mit Chemotherapien zu tun! Die meisten von ihnen nennen wir „immunmodulierend“ und nicht „immunsupprimierend“: Sie unterdrücken NICHT dein Immunsystem. Sie bringen das Zuviel an Immunabwehr wieder herunter.

Frage gerne deine Rheumaärztin/deinen Rheumaarzt. Gibt es in ihrer/seiner Praxis speziell ausgebildete Fachassistentinnen, RFA genannt? RFA = rheumatologische Fachassistentin. Sie kennt sich top aus und hat mehr Zeit für deine Fragen.

Eine gute Quelle sind Infoblätter der Rheumaliga. Weniger geeignet sind Beipackzettel. Sie listen alles auf, was geschehen ist oder geschehen könnte. Das verbraucht meterweise Papier und verunsichert dich. 

Ist das Ziel einer Remission – also „entzündungsfrei“ – erreicht, können wir versuchen, die Basistherapie in kleinen Schritten herunterzufahren. Bevor das passiert, musst du ohne Kortison auskommen können. Das nennen wir „kortisonfreie Remission“.

Gute Hilfe bei Rheuma, besonders bei früher Behandlung

Rheuma kann man gut behandeln – und das besonders erfolgreich, wenn damit früh begonnen wird. Mit allen Mitteln, die moderne Wissenschaft bietet. In der Forschung tut sich viel: Fast jedes Jahr kommen neue Medikamente, die tief in die Entzündungsspirale eingreifen und sie bremsen. Oft haben diese Medikamente lange Zungenbrecher-Namen. 

Entzündliches Rheuma heilen können wir noch nicht, auch wenn experimentelle Ansätze dazu bereits existieren. Ich erwähne hier die sogenannte CAR-T-Zell-Therapie: eigentlich eine Krebsimmuntherapie, die bei schweren Organschäden bei manchen Rheumaarten als letzte Option genutzt wird (hohe Komplikationsrate).

Der RheumaDoc verschreibt dir Medikamente. Deine Aufgabe wäre, dich in die Themen einzuarbeiten: Welche Rheuma-Art hast du genau? Was ist im Labor wichtig, damit deine Medikamente gut überwacht werden? Weißt du, welche Hilfen du in unserer Sozialgemeinschaft bekommen kannst?

Dein Leben in seinen Gesundheitssäulen zu prüfen: Bewegung und Ernährung, Erholung und Schlaf, deine emotionale Gesundheit. Warum? Weil bei uns im Körper die drei wichtigen Systeme ständig um Ressourcen konkurrieren: das Immunsystem, das hormonelle System und das Nervensystem. Hier liegt eine große Chance, deine eigene Gesundheitsexpertin zu werden – und eine für deine Familie, Freund:innen und Kolleg:innen.